VK Berlin
Beschluss
vom 28.04.2025
VK B 1-73/24
1. Zwischen Nachforderungen und Aufklärung des Angebotsinhalts ist streng zu unterscheiden.
2. Eine Nachforderung ist nur für leistungsbezogene Unterlagen, die nicht die Wirtschaftlichkeitsbewertung betreffen, und unternehmensbezogene Unterlagen zulässig. Die Korrektur fehlerhafter Unterlagen ist nur für unternehmensbezogene Unterlagen zulässig.
3. Die Aufklärung wiederum erlaubt keine Änderung des Angebots, also keine Nachreichung von Unterlagen und auch weder die Anforderung fehlender Bestandteile des Angebots noch die Korrektur von Angebotsunterlagen.
4. Die Aufklärung setzt eine konkrete Aufforderung zur Klarstellung einer durch den Auftraggeber eindeutig zu benennenden und tatsächlich bestehenden Unklarheit voraus.
5. Ob in der Erläuterung eines Angebots durch den Bieter zugleich eine ausschlusswürdige Änderung des Angebots darstellt, ist durch Auslegung aus der Perspektive eines objektiven Empfängers zu ermitteln (hier verneint). Bei Unklarheiten kann der Auftraggeber zur Aufklärung berechtigt und verpflichtet sein.
VK Berlin, Beschluss vom 28.04.2025 - VK B 1-73/24
Tenor:
1. Das Verfahren wird in den Stand vor Wertung der Angebote zurückversetzt.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin. Die Beigeladene trägt ihre Kosten selbst
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war notwendig.
4. Die Verfahrensgebühr wird auf ... Euro festgesetzt. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühren befreit.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist ein Beförderungsunternehmen, das unter anderem Schülerbeförderung anbietet, der Antragsgegner ist ein Bezirk des Landes Berlin.
Der Antragsgegner schrieb die Beförderungsleistungen unter Aufteilung in Lose europaweit im offenen Verfahren aus. Die Laufzeit des ausgeschriebenen Vertrages betrug knapp 49 Monate, beginnend am 18.07.2024 bis zum 13.08.2028.
Für das streitbefangene Los war die Beförderung von vorwiegend körper- und/oder geistig behinderten Schülerinnen bzw. Schülern an Schultagen und gegebenenfalls die Beförderung von Schülerinnen und Schülern in den Ferien und zu Praktika inklusive der Tourenplanung durch den Auftragnehmer vom jeweiligen Wohnort zur Schule und zurück zu erbringen.
Als Abrechnungsgrundlage aller Touren für Los 1 galten die im Preisblatt zu 1 genannten Festpreise je besetzt Kilometer, wobei unterschieden wurde zwischen Behindertentransportkraftwagen (BTW) und Kleinbus/Kraftomnibus (KOM bzw. KB).
Mit dem Angebot war auch eine Tourenplanung beizufügen. Das Ergebnis der Tourenplanung war ebenfalls im Preisblatt einzutragen. Zuschlagskriterium war der niedrigste Gesamtpreis pro Jahr als Produkt der aus der Tourenplanung des Bieters errechneten Gesamtkilometer pro Jahr, einer Pauschale für Begleitpersonen und dem Preis pro Besetzkilometer.
In der Leistungsbeschreibung finden sich Vorgaben zur Tourenplanung. Dort heißt es u.a.:
"Aufgrund der notwendigen Vergleichbarkeit bei der Wertung der einzelnen Angebote ist die Tourenplanung ausschließlich mit Google Maps (https://maps.google.de) auf 100 m genau zu erstellen. Es dürfen für die Planung nur die Strecken von den Adressen der Schüler*innen zur offiziellen Schuladresse verwendet werden.
Die einzelnen Tourenpläne sind losweise durchzunummerieren und müssen die jeweils gefahrenen Besetztkilometer, die Abfahrts- und Ankunftszeiten, den eingesetzten Fahrzeugtyp und den vorgesehenen Einsatz einer Begleitperson (wenn im Los vorgegeben) enthalten. Die Tourenpläne sind grundsätzlich mit Karte und im Format DIN A 4 zu erstellen. Die Abgabeform erfolgt elektronisch in Textform als PDF. (
) Bitte beachten Sie, dass die in jedem Los dargestellten Übersichten, den Ist-Stand von November 2023 - Schuljahr 2023/2024 - wiederspiegeln und Ihnen lediglich als Kalkulationsgrundlage und zur Gewährleistung der Vergleichbarkeit der Angebote dienen sollen. Zu Leistungsbeginn und zu Schuljahresbeginn ändert sich erfahrungsgemäß ca. ein Fünftel der zu befördernden Schüler*innen und damit die anzufahrenden Adressen/Sammelpunkte. Deshalb ist die Tourenplanung in Absprache mit dem Auftraggeber unabdingbarer Bestandteil der Leistungserbringung des zukünftigen auftragnehmenden Unternehmens."
Die Antragstellerin gab form- und fristgemäß am 05.05.2024 für Los 1 ein Angebot ab und fügte mit Google Maps erstellte Tourenpläne bei.
Mit Schreiben vom 29.05.2024 forderte der Antragsgegners die Antragstellerin über die Vergabeplattform unter der Kategorie "Nachforderungen" zur "Aufklärung" auf:
"Ihre Tourenplanung ist nicht nachvollziehbar, da die Routenplanung mit den einzelnen Adressen nicht komplett ausgedruckt wurde. Bspw. wurde die Schule nicht als Zielort bei Google Maps angegeben."
Mit Schreiben vom 30.05.2024 überreichte die Antragstellerin ein Schreiben in dessen Anhang sich eine tabellarische Auflistung sämtlicher Adressen der abzuholenden Schülerinnen und Schüler befand, die identisch war mit der im Angebot enthaltenen Liste.
Mit Schreiben vom 03.06.2024 antwortete der Antragsgegner der Antragstellerin:
"leider war Ihre Antwort vom 30.05.2024 nicht ausreichend um die Unklarheiten an Ihrem Angebot zu beseitigen und es bleibt weiterhin hinsichtlich der Tourenplanung nur bedingt prüfbar.
Die Zwischenhalte auf ihren Touren können mit den aktuell gelieferten Tourenplänen nicht genau überprüft werden. Ein Google-Maps-Link, der für jede Tour händisch eingegeben werden muss, ist hier nicht ausreichend.
Es ist möglich einen Google-Maps Ausdruck inklusive aller Zwischenhalte als PDF zu erstellen - siehe beigefügtes Beispiel. [
]
Ich bitte um Prüfung und Stellungnahme zu den Unklarheiten bezüglich Ihres Angebotes bis zum 06.06.2024. Unvollständige Angebote müssen im Weiteren unbeachtet bleiben."
Mit Schreiben vom 06.06.2024 übersandte die Antragstellerin neu erstellte Tourenpläne. Mit begleitendem Schreiben teilt sie mit:
"Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben nun alle Tourenpläne laut ihrem Muster neu erstellt und in der Anlage beigefügt- durch andere Verkehrsverhältnisse Stand heute kommt es zu leichten Abweichungen in der Besetztkilometerzahl wie folgt:
Los 1
BTW
alt 253,1 km
neu 258,4 km
+ 5,3 km/Tag KB
alt 108,1 km
neu 107,5 km
-0,6 km /Tag
Differenz
5,3 - 0,6 km = 4,7 km x 8,28 EUR= +38,92 EUR/ Tag [
]"
Der in dem Schreiben genannte Preis pro Besetztkilometer wich von dem in dem Preisblatt zu Los 1 genannten Preis nach unten ab.
Mit Schreiben vom 21.06.2024 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin, dass ihr Angebot nicht berücksichtigt werden könne. Begründet wurde dies wie folgt:
"Die Nichtberücksichtigung begründet sich durch das in der Aufklärungsverhandlung geänderte Angebot. Gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VgV sind Verhandlungen zum eingereichten Angebot nicht zulässig. Änderungen, die Wertung relevante Gesichtspunkte, insbesondere Preise, betreffen, sind unzulässig."
Mit schreiben vom 25.06.2024 rügte die Antragstellerin den Ausschluss des Angebots und die fehlerhafte Prüfung und Wertung sowie das unrichtige Informationsschreiben nach § 134 GWB.
Mit Schreiben vom 26.06.2024 half der Antragsgegner der Rüge nicht ab.
Mit Schreiben vom 28.06.2024 legte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag ein.
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Der Schwellenwert sei überschritten und die Antragstellerin auch antragsbefugt, da ihr Angebot auf Platz 1 der Rangliste liege. Die Antragstellerin habe auch rechtzeitig die Verstöße gerügt.
Die Nachforderung sei bereits unzulässig, da schon die Anforderungen des Nachweises der Tourenplanung nicht in der Bekanntmachung, sondern lediglich in der Leistungsbeschreibung enthalten gewesen seien. Überdies seien die Nachforderungen unverhältnismäßig, da dem Antragsgegner sämtliche Informationen bereits vorgelegen hätten. Die Unverhältnismäßigkeit ergebe sich auch aus der mangelnden Eignung der nachgeforderten Unterlagen, da die Wegstreckenführung bei Google Maps dynamisch sei, mithin sei es der Anforderung der Verwendung von Google Maps immanent, dass sich Wegstrecken und damit auch Preise ändern könnten, insbesondere da zwischen Abgabe des Angebots und der Nachforderung mehr als drei Wochen gelegen hätten. Es hätte entgegen der Ansicht des Antragsgegners auch keine Nachverhandlung stattgefunden. Überdies habe der Antragsgegner es versäumt, die Antragstellerin vor dem Ausschluss anzuhören.
Die Antragstellerin beantragt,
1. dem Antragsgegner aufzuerlegen, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das mit der Auftragsbekanntmachung vom 08.04.2024 (OJ S 69/2024 - 203832-2024; Kennung des Verfahrens: 0f71f7a6-76cd-46b4-bfb2-88efb1d058d7; interne Kennung:
IMV_2024-04) eingeleitete offene Verfahren für Los 1 in den Stand vor Prüfung und Wertung zurückzuversetzen und ab diesem Zeitpunkt unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
2. dem Antragsgegner die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der notwendigen Kosten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen,
3. festzustellen, dass für die Antragstellerin die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen,
2. der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen,
3. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Seiten des Antragsgegners notwendig war.
Der Antragsgegner trägt vor, dass der Nachprüfungsantrag bereits teilweise unzulässig sei. Soweit die Antragstellerin vorträgt, die Nachforderung sei unzulässig und unverhältnismäßig, seien die Rügen bereits nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert, da sie hätten innerhalb von 10 Tagen nach Zugang des zweiten Nachforderungsschreibens vom 03.06.2024 erhoben werden müssen. Hinsichtlich des fehlerhaften Informationsschreibens fehle die Antragsbefugnis, da der Antragstellerin dadurch kein Schaden entstanden sei.
Im Übrigen sei der Antrag auch soweit er zulässig sei, unbegründet. Die Antragstellerin habe ein unvollständiges Angebot eingereicht, da der Endpunkt der Tourenplanung in einer Tour nicht enthalten gewesen sei. Der Antragsgegner habe auch im Rahmen des § 15 Abs. 5 VgV Unklarheiten in dem Angebot aufklären dürfen, dabei habe es sich nicht um unzulässige Nachforderungen von Nachweisen oder Erklärungen gehandelt. Des Weiteren habe die Antragstellerin im Rahmen der letzten Nachreichung ihr Angebot nachträglich geändert, dies sei unzulässig. Dabei komme es auch nicht darauf an, dass sich die Strecke durch die Verwendung von Google Maps geändert habe, denn diese Veränderung sei allein deshalb aufgetreten, weil die Antragstellerin ein unvollständiges Angebot eingereicht und einen veränderten Preis genannt habe. Eine Veränderung des Angebots sei nicht durch das Ergebnis einer Aufklärung nach § 15 Abs. 5 VgV gedeckt. Diese Änderungen seien auch nicht unwesentlich gewesen. Auch ohne Aufklärung hätte das Angebot ausgeschlossen werden müssen, da nicht prüfbar gewesen sei, ob die Tourenplanung tatsächlich alle zu befördernden Kinder enthalten habe.
Dies sei aber angesichts der besonderen Schutzwürdigkeit der Kinder zwingend.
Am 10.02.2025 hat die Vorsitzende die Entscheidungsfrist letztmalig verlängert.
Mit Beschluss vom 24.02.2025 wurde das Verfahren dem hauptamtlichen Beisitzer zur alleinigen Entscheidung übertragen.
Mit Schreiben vom 25.02.2025 erteilte der hauptamtliche Beisitzer einen rechtlichen Hinweis.
Mit Beschluss vom 01.04.2025 wurde die Beigeladene dem Verfahren beigeladen.
Mit Beschluss vom 15.04.2025 erhielt die Antragstellerin Akteneinsicht in die Vergabeakte.
Die Vergabeakten des Antragsgegners lagen der Kammer vor und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verfahrensakte der Vergabekammer nebst der beigezogenen Vergabeakte verwiesen.
II.
Der Nachprüfungsantrag war teilweise zulässig und soweit er zulässig war, auch begründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist, soweit er den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin betrifft, zulässig, im Übrigen unzulässig.
Die Vergabekammer ist sachlich und örtlich zuständig, der Schwellenwert gem. § 106 GWB ist überschritten und die Antragstellerin ist überwiegend antragsbefugt. Dies gilt allerdings nicht bezüglich der Rüge gem. § 134 Abs. 1 GWB, da weder ersichtlich noch vorgetragen ist, inwieweit die Antragstellerin einen Schaden hätte erleiden können.
Soweit die Antragstellerin die Unzulässigkeit und Unverhältnismäßigkeit der Aufklärung bzw. Nachforderung rügt, kommt es darauf bereits nicht mehr an, da diese schon an sich aus formellen Gründen rechtswidrig waren (siehe 2.). Soweit die Antragstellerin den Ausschluss ihres Angebots rügt, ist diese Rüge zulässig.
2. Soweit der Antrag der Antragstellerin zulässig ist, ist er auch begründet, da der Ausschluss des Angebots der Antragstellerin diese in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt.
Dies ergab sich daraus, dass die Nachforderung der Unterlagen weder als Nachforderung noch als Aufklärung rechtmäßig waren und der Ausschluss auch nicht von deren Ergebnis hätte getragen werden können.
Dabei ist zwischen Nachforderungen nach § 56 VgV und der Aufklärung des Angebotsinhalts streng zu unterscheiden. Eine Nachforderung von Unterlagen ist nur im Rahmen der Grenzen des § 56 Abs. 2 und 3 VgV zulässig. Danach ist die Nachreichung von Unterlagen nur für leistungsbezogene Unterlagen, die nicht die Wirtschaftlichkeitsbewertung betreffen und unternehmensbezogene Unterlagen zulässig. Die Korrektur fehlerhafter Unterlagen ist nach § 56 Abs. 2 VgV nur für unternehmensbezogene Unterlagen zulässig.
Die Aufklärung nach § 15 Abs. 5 VgV wiederum erlaubt keine Änderung des Angebots, also keine Nachreichung von Unterlagen und auch weder die Anforderung fehlender Bestandteile des Angebots noch die Korrektur von Angebotsunterlagen (vgl. Ziekow/Völlink/Steck VgV § 15 Rn. 22; Beck VergabeR/Dörn VgV § 15 Rn. 28). Die Aufklärung ist nur zulässig, soweit die Angaben für die ordnungsgemäße Prüfung des Angebots benötigt werden (Ziekow/Völlink/Steck VgV § 15 Rn. 21).
a. Die Nachforderungsschreiben vom 29.05. und 03.06.2024 waren bereits nach § 56 Abs. 3 GWB rechtswidrig. Die erste Nachforderung war bereits formal rechtswidrig, da aus ihr nicht hervorging, ob es sich um eine Nachforderung oder eine Aufklärung handelte, insbesondere die Divergenz zwischen der Kommunikation im Bereich "Nachforderung" der Vergabeplattform und der Formulierung des Schreibens, die um eine Aufklärung von nicht näher genannten Unklarheiten bat, sorgte dafür. Erst das Schreiben vom 03.06.2024 ließ erkennen, dass der Antragsgegner von einer Nachforderung ausging, auch wenn auch dieses Schreiben in dieser Hinsicht nicht gänzlich eindeutig war.
Nach § 56 Abs. 3 VgV ist eine Nachforderung von Unterlagen, die der Wirtschaftlichkeitsbewertung dienen, nicht zulässig. Die Nachforderungen vom 29.05.2024 und 03.06.2024 richteten sich auf die - erst aus dem Nachforderungsschreiben vom 03.06.2024 erkennbare - Neuerstellung aller bereits eingereichten Tourenpläne. Bei den Tourenplänen handelt es sich aber um Unterlagen der Wirtschaftlichkeitsbewertung. Die Wirtschaftlichkeitsbewertung wird im vorliegenden Verfahren ausschließlich nach dem niedrigsten Gesamtpreis durchgeführt. Dieser ergibt sich aus der Addition der täglichen Kilometer der zu absolvierenden Touren, multipliziert mit der Zahl der zu erbringenden Fahrten und einem Kilometerpreis. Damit handelt es sich bei den Tourenplänen um Unterlagen zur Wirtschaftlichkeitsbewertung. Diese können nicht nachgefordert oder korrigiert werden.
Eine Nachforderung von fehlenden Unterlagen ist im Übrigen auch nur dann möglich, wenn die fraglichen Unterlagen nicht mit dem Angebot eingereicht wurden, nicht aber, wenn sie fehlerhaft waren. Eine Korrektur von Unterlagen ist nach § 56 Abs. 2 VgV nur für unternehmensbezogene Unterlagen vorgesehen. Darum handelt es sich bei den Tourenplänen allerdings nicht. Die Korrektur von wertungsrelevanten Unterlagen ist hingegen ausgeschlossen, soweit es nicht um offensichtliche Fehler geht (vgl. EuGH, Urteil vom 29. 03. 2012 − C-599/10; Beck VergabeR/Haak/Hogeweg VgV § 56 Rn. 42; Ziekow/Völlink/Steck VgV § 56 Rn. 12a). Ist jedoch bereits die Nachforderung als solche rechtswidrig und hätte gar nicht erfolgen dürfen, können aus den nachgeforderten Unterlagen keine negativen Rechtsfolgen für den Bieter gezogen werden.
b. Auch wenn die Nachforderung rechtmäßig gewesen wäre, hätte das Ergebnis keinen Ausschluss nach sich ziehen dürfen. Das folgt schon daraus, dass entgegen der Annahme des Antragsgegners das Schreiben vom 06.06.2024 keine Angebotsänderung darstellt. Bei einem Angebot handelt es sich um eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung, das gleiche gilt für die Änderung eines Angebots. Um festzustellen, ob eine solche überhaupt vorliegt, wäre die Erklärung der Antragstellerin vom 06.06.2024 zunächst einmal gem. §§ 133, 157 BGB nach dem wahren Willen der Antragstellerin von einem objektivierten Empfängerhorizont aus auszulegen gewesen. Danach stellt sich die Erklärung nach ihrem Inhalt schon nicht als Willenserklärung dar, sondern als Erläuterung der Konsequenzen der Nachforderung der Tourenplanung anhand der vom Antragsgegner vorgeschriebenen Methode der Routenplanung mittels Google Maps. Da Google Maps standardmäßig eine dynamische Routenplanung vornimmt, die bei gleichen Wegepunkten je nach Tag und Uhrzeit zu unterschiedlichen Routen kommen kann, können sich Routen bei fast einem Monat Unterschied zwischen Angebotslegung und Erfüllung der Nachforderung unterscheiden. Der Erläuterung dieses Zusammenhangs diente offenkundig die Erklärung des Schreibens vom 06.06.2024. Wie es in diesem Zusammenhang zu der Nennung eines falschen Kilometerpreises als Multiplikator kommen konnte, ließ sich auch in der mündlichen Verhandlung nicht aufklären, jedenfalls ergibt aber die Auslegung des Schreibens nicht, dass die Antragstellerin damit den angegebenen Kilometerpreis aus dem Preisblatt ändern wollte. Vielmehr enthält die einfache Nennung eines abweichenden Kilometerpreises zur Berechnung des abweichenden Tagespreises überhaupt keine Willenserklärung. Auch vom Empfängerhorizont des Antragsgegners konnte sich nichts anderes ergeben, da eine Absenkung des Kilometerpreises für die Antragstellerin als Bieterin auf Platz 1 keinen rationalen Hintergrund hätte haben können. Auch die Änderung der Gesamtlänge der Routen kann nach den Grundsätzen von Treu und Glauben keinen Ausschluss zur Folge haben, da diese nicht auf einer gewollten Änderung durch die Antragstellerin, sondern auf der Erfüllung der Vorgaben des Antragsgegners beruhte.
Im Übrigen hätte die Unklarheit hinsichtlich des Angebotspreise bei zwei sich widersprechenden Preisangaben, hätte diese nach Auslegung durch den Antragsgegner tatsächlich bestanden, den Antragsgegner tatsächlich zu einer Aufklärung berechtigt und womöglich sogar angesichts der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2019 - X ZR 86/17) dazu verpflichtet. Entgegen dem von dem Antragsgegner zitierten Fall des OLG Karlsruhe (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11.11.2011 - 15 Verg 11/11) bestand hier jedenfalls nicht die Gefahr einer Anfechtung des Vertrags durch die Antragstellerin, die einen Ausschluss zwingend werden ließe.
c. Hingegen wäre eine Aufklärung des Angebotsinhalts, wie sie die Formulierung der Nachforderung vom 29.05.2024 nahelegt, grundsätzlich nach § 15 Abs. 5 VgV zur Klärung der Frage der Vollständigkeit der Routenplanung, also zu der im Nachprüfungsverfahren aufgeworfenen Frage, ob alle Kinder in der Routenplanung berücksichtigt waren, zulässig gewesen. Die Angebotsaufklärung dient der Klärung des Angebotsinhalts, wenn nach rechnerischer, technischer und wirtschaftlicher Prüfung noch Zweifelsfragen bezüglich des Angebotsinhalts bestehen (Ziekow/Völlink/Steck VgV § 15 Rn. 14). Dies setzt allerdings zunächst eine Auslegung des Angebotsinhalts voraus (KG, Beschluss vom 20.03.2020 - Verg 7/19; Ziekow/Völlink /Steck VgV § 15 Rn. 14; Beck VergabeR/Dörn VgV § 15 Rn. 34; MüKoEuWettbR/Fett VgV § 15 Rn. 34). Die Aufklärung ist bereits unstatthaft, wenn nach Auslegung keine Unklarheit bestand (OLG Bremen, Beschluss vom 22.03.2007 - Verg 3/07).
Die Aufforderung zur Aufklärung hätte aber eine konkrete Aufforderung zur Klarstellung einer durch den Antragsgegner eindeutig zu benennenden und tatsächlich bestehenden Unklarheit vorausgesetzt. Die Formulierung, dass "bspw. die Schule nicht als Zielort bei Google Maps" angegeben wurde, genügt dem ebenso wenig wie die Aufforderung "Ich bitte um Prüfung und Stellungnahme zu den Unklarheiten bezüglich Ihres Angebotes bis zum 03.06.2024", wenn diese nicht vollständig benannt wurden. Die Benennung der zu prüfenden Unklarheit fehlt vorliegend, weder aus der Aufforderung vom 29.05.2024 noch aus der Aufforderung vom 03.06.2024 geht hervor, worin die aufzuklärende Unklarheit bestanden haben könnte. Eine unvollständige Tourenplanung oder fehlende Wegpunkte stellen jedenfalls vorliegend keine Unklarheit dar, sondern möglicherweise ein unvollständiges Angebot.
Die vom Auftraggeber darzulegende Unklarheit bedarf auch zunächst einer Auslegung des Angebots (s.o.), nur wenn nach einer Auslegung noch Unklarheiten bestehen, kann überhaupt eine Aufklärung erfolgen. Dies liegt jedoch vorliegend ausweislich der Vergabeakte nicht vor.
Soweit sich der Antragsgegner schriftsätzlich darauf beruft, er habe nicht prüfen können, ob sämtliche in der Routenplanung zu berücksichtigenden Kinder tatsächlich berücksichtigt worden seien, steht dem entgegen, dass dies ausweislich der Vergabeakten die ordnungsgemäße Prüfung des Angebots hinsichtlich dieses Punkts nicht verhindert hat. Die Vergabeakte enthält einen Prüfvermerk (Ordner I Teil 1, S. 180f) in Form einer Tabelle zum Angebot der Antragstellerin aus Los 1, in dem sämtliche zu berücksichtigenden Kinder aufgeführt wurden und mit einem grünen Kreuz versehen wurden; in identischen Tabellen wurde bei anderen Bietern durch rote Kreuze festgestellt, dass nicht alle Kinder in der Routenplanung enthalten waren. Damit hat der Antragsgegner dokumentiert, dass er das Angebot in diesem Punkt vollständig und ordnungsgemäß prüfen konnte und dies auch getan hat. Die angeblich aufzuklärende Unklarheit bezog sich laut Vergabeakte lediglich darauf, dass die Schule als Zielpunkt bei einer Route nicht benannt worden sei. Inwiefern dies die notwendige Prüfung der Routenplanung unmöglich gemacht haben soll, ergab sich allerdings nicht aus der Vergabeakte und auch nicht aus der mündlichen Verhandlung. Denn die Schule als Endpunkt war in der Tabelle nicht Teil der Prüfung des Streckenplans.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Nach § 182 Abs. 3 S. 1 GWB hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt.
Aufwendungen der Beigeladenen sind gem. § 182 Abs. 4 S. 2 GWB nur erstattungsfähig, soweit die Kammer diese aus Gründen der Billigkeit der unterliegenden Partei auferlegt. Vorliegend entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre Kosten selbst trägt. Die Beigeladene hat in dem Verfahren weder an der mündlichen Verhandlung teilgenommen, noch Anträge gestellt, und sich auch nicht durch schriftsätzlichen Vortrag am Verfahren beteiligt, so dass es der Billigkeit entspricht, dass die Beigeladene ihre Kosten selbst trägt, da sie sich auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat.
Die Festsetzung der Verfahrensgebühr beruht auf § 182 Abs. 2 GWB und entspricht dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer. Die Vergabekammer zieht als Ausgangspunkt insofern die auftragswertorientierte Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes (derzeit abrufbar unter https://www.bundeskartellamt.de/DE/Vergabe-recht/Materialien/Materialien_node.html) heran. Dabei legt die Kammer im vorliegenden Fall den Bruttoangebotspreis der Beigeladenen zugrunde, der den Wert des Auftrags repräsentiert. Unter Beachtung des personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer für das hiesige Nachprüfungsverfahren, welches trotz der ausführlichen Schriftsätze der Beteiligten und der mündlichen Verhandlung gerade noch durchschnittlich umfangreich war, ergibt sich eine Verfahrensgebühr in Höhe von ... EUR. Der Antragsgegner ist gemäß § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG allerdings von der Zahlung der Gebühren befreit.
Nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB hat der Antragsgegner die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen. Auf den Antrag der Antragstellerin stellt die Vergabekammer nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 Satz 2 VwVfG die Notwendigkeit der Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten fest. Ob die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.03.2010 - 11 Verg 3/10). Entscheidend ist dabei, ob die Antragstellerin unter den konkreten Umständen des Falls selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, hieraus die für eine sinnvolle Rechtsverfolgung nötigen Schlüsse zu ziehen und entsprechend gegenüber der Vergabekammer vorzutragen (vgl. schon VK Berlin, Beschluss vom 26.08.2014 - VK - B 1 - 10/14 m.w.N.). Danach ist die Hinzuziehung vorliegend notwendig gewesen. Vorliegend geht es um Mängel des Vergabeverfahrens im Bereich der Wertung der Angebote, Fragen der Abgrenzung von Nachforderung und Aufklärung sowie den Ausschluss der Antragstellerin aus dem Verfahren. Es kann von der Antragstellerin nicht erwartet werden, derartig komplexe Fragen des Vergaberechts, bei dem es sich noch dazu um eine Spezialmaterie handelt (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 12.11.2020 - 54 Verg 2/20), tatsächlich und rechtlich ohne Rechtsbeistand zu lösen und vor der Kammer entsprechend vorzutragen.
(Rechtsmittelbelehrung)
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VK Berlin
Beschluss
vom 04.04.2025
VK B 1-3/25
1. Ein Auftrag über die die "Errichtung einer VDI-Infrastruktur, Lieferung und Montage von Rechenzentrumscontainern" ist kein Bauauftrag, sondern ein Dienstleistungsauftrag.
2. Die Nichtbeantwortung von Bieterfragen ist vergaberechtswidrig und verletzt den Bieter in seinen Rechten. Es besteht keine Bieterobliegenheit, den öffentlichen Auftraggeber an die Beantwortung von Bieterfragen zu erinnern.
3. Die 30-Tages-Frist zur Feststellung der Unwirksamkeit des öffentlichen Auftrags ist nicht anwendbar, wenn die Information der Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber unzureichend ist.
4. Im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren besteht keine aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA). Die Vorschrift des § 130d ZPO ist im Vergabenachprüfungsverfahren nicht (analog) anwendbar.
VK Berlin, Beschluss vom 04.04.2025 - VK B 1-3/25
Tenor:
1. Es wird festgestellt, dass der Vertrag vom 13.12.2024 unwirksam ist.
2. Der Antragsgegner und die Beigeladene tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu jeweils 50%.
3. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin war notwendig.
4. Die Verfahrensgebühr wird auf ... Euro festgesetzt. Auslagen der Vergabekammer werden nicht geltend gemacht.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin und die Beigeladene sind jeweils Unternehmen, die unter anderem Komponenten für Rechenzentren herstellen und vertreiben, der Antragsgegner ist eine Bezirksverwaltung im Land Berlin.
Mit E-Mail vom 6.11.2024 forderte der Antragsgegner die Antragstellerin, die Beigeladene sowie weitere Unternehmen per E-Mail auf, ein Angebot für die "Errichtung einer VDI-Infrastruktur, Lieferung und Montage von Rechenzentrumscontainern" abzugeben. Die Leistungen wurden unter der Bezeichnung "Elektroinstallationen, Installationen von Schaltanlagen / 45315700-5" ausgeschrieben und als Liefer- und Dienstleistungen qualifiziert. In der Angebotsaufforderung sowie den Zusätzlichen Vertragsbedingungen (ZVB) wurde die Vergabe wie folgt beschrieben:
"Vergabeverfahren gemäß Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) in Verbindung mit der Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)"
Der Angebotsaufforderung war ein Formular (Wirt-211) beigefügt, das irreführend angab, es handele sich um ein nichtoffenes Verfahren.
Nebenangebote waren zugelassen, jedoch wurden keine konkreten Bedingungen oder Mindestanforderungen hierfür definiert.
Das Leistungsverzeichnis enthielt folgende, als Nebenangebot bezeichnete Option:
"Weiterhin sind die Tiefbauarbeiten wie Fundament, Plattierung, Zaun und Zuwegung sowie Herrichtung von Außenanlagen nicht enthalten. Es wäre wünschenswert wenn die Anbieter hierzu ein Nebenangebot abgeben"
Die Kostenschätzung des Auftraggebers wies für die Bereiche Bauvorbereitung, Elektroinstallationen und Blitzschutz insgesamt einen Nettowert von ca. 75.000 EUR aus, während die Bereiche der Lieferung der Rechenzentrumscontainer, der Schranksysteme, der Kühlungsanlagen und der USV-Systeme einen Nettowert von ca. 700.000 EUR auswiesen.
Das Leistungsverzeichnis enthielt in Ziffer 2.4 die Aussage, dass die zu liefernden Container entweder fertig oder teilfertig geliefert werden könnten. Auch Teile der zu liefernden Ausstattung der Container wie die Kühlung könnten schon an den Containern montiert geliefert werden.
Die Beigeladene wies in der mündlichen Verhandlung vom 03.04.2025 mehrfach darauf hin, dass es sich bei den Containern um von dem Auftragnehmer anzufertigende Spezialanfertigungen handele, die nach den Wünschen und speziellen Maßen des Auftraggebers vom Auftragnehmer gefertigt und vor Ort zusammengesetzt würden.
Der ursprüngliche Termin für die Einreichung von Angeboten wurde auf den 27.11.2024 festgesetzt.
Mit Beantwortung von Bieterfragen vom 14.11.2024 per E-Mail legte der Antragsgegner fest, dass die anzubietenden Batterien für die USV eine Autonomiezeit von 45 Minuten ermöglichen müssen.
Die Antragstellerin reichte im Verlauf des Verfahrens unter anderem am 21.11.2024 mehrere Bieterfragen ein. Diese betrafen insbesondere:
- technische Aspekte des Leistungsverzeichnisses,
- die Bedingungen für die Zulassung und Bewertung von Nebenangeboten,
- Unklarheiten zur Rechnungsstellung und den Zahlungsbedingungen.
Mit Bieterfragenbeantwortung per E-Mail vom 25.11.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass die Frist für die Einreichung von Angeboten bis zum 04.12.2024 verlängert werde und dass es möglich sei,
"vom LV losgelöste Nebenangebote zuzusenden. Grundlage: da das im LV angegebene Kältemittel im Jahr 2025 nicht in Einsatz kommen darf".
Die zu den Antworten gehörigen Bieterfragen waren nicht in der Vergabeakte enthalten.
Mit Bieterfrage vom 21.11.2024 fragte die Antragstellerin, in welcher Form Alternativen bei
Nebenangeboten gekennzeichnet werden sollten. Eine Antwort auf die Frage erfolgte nicht.
Die Antragstellerin reichte fristgerecht am 2.12.2024 ein Hauptangebot, aber kein Nebenangebot ein. Dies wurde dem Antragsgegner bei der Angebotsabgabe von der Antragstellerin ausdrücklich mitgeteilt.
Neben der Antragstellerin reichten die Beigeladene ein Nebenangebot (ohne Hauptangebot) sowie zwei andere Bieter ein Angebot ein.
Mit Schreiben vom 06.12.2024 forderte der Antragsgegner die Beigeladene zur Aufklärung ihres Angebots und zur Nachlieferung bzw. Änderung von Preisen ihres Angebots auf. Insbesondere forderte der Antragsgegner den Mehrpreis für 45 Minuten USV-Überbrückungszeit anzugeben. Das Angebot vom 04.12. enthielt eine USV-Überbrückungszeit von 30 Minuten. In der Auswertung der Angebote stellte der Antragsgegner fest, dass unklar sei, ob die Klimatisierung wie gefordert teilweise über die USV betrieben werden könne. Mit Schreiben vom 09.12.2024 reichte die Beigeladene ein neues Angebot ein, das die Anforderungen an die Autonomiezeit der USV von 45 Minuten erfüllte und das um eine mittlere fünfstellige Summe über dem Angebot vom 04.12.2024 lag.
Mit E-Mail vom 13.12.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass deren Angebot nicht das wirtschaftlichste sei. Angaben dazu, ob der Zuschlag bereits erteilt worden war oder welches Unternehmen den Zuschlag erhalten sollte, wurden nicht gemacht.
Mit E-Mail vom 13.12.2024 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass deren Angebot nicht das wirtschaftlichste sei. Angaben dazu, ob der Zuschlag bereits erteilt worden war oder welches Unternehmen den Zuschlag erhalten sollte, wurden nicht gemacht.
Mit E-Mail vom 16.12.2024 beanstandete die Antragstellerin die Absage sowie die unzureichende Beantwortung der Bieterfragen vom 21.11.2024. Zudem forderte sie den Antragsgegner zur Übersendung folgender Informationen auf:
- das vollständige Submissionsergebnis,
- eine Klärung zu den Bedingungen der Rechnungsstellung und Zahlungsmodalitäten,
- eine Mitteilung, ob bereits ein Zuschlag erteilt worden sei,
- eine Präzisierung der Vorgaben für die Einreichung von Nebenangeboten, insbesondere im Hinblick auf die Nutzung der GAEB-Datei, die keine Änderungen zuließ.
Die Antragstellerin wies darauf hin, dass ein Zuschlag gemäß § 134 Abs. 2 GWB frühestens nach Ablauf der 10-tägigen Stillhaltefrist erfolgen dürfe.
In seiner Antwort vom 17.12.2024 erklärte der Antragsgegner, dass ihm ein Fehler in der
Wahl der Formulare für die Vergabeart unterlaufen sei. Aufgrund der besonderen Dringlichkeit und Sicherheitsinteressen sei ein Verfahren "in Anlehnung an eine beschränkte Ausschreibung nach UVgO" gewählt worden. Die Wahl der Kommunikation per E-Mail begründe zudem ein Verfahren im Unterschwellenbereich, das keine Vorabinformation gemäß § 134 GWB erfordere.
Der Antragsgegner übersandte mit dem Schreiben das Submissionsprotokoll vom
04.12.2024 mit der Eintragung, dass der "Bieter Nr. 2" - gemeint war wohl die Beigeladene - mit seinem "wirtschaftlichen Nebenangebot den Zuschlag erhalten habe". Enthalten war der Preis des Angebots vom 04.12.2024.
Zur Gleichwertigkeitsprüfung von Nebenangeboten und deren Einreichungsbedingungen führte die Antragsgegnerin aus:
"Bezüglich Ihrer Bieteranfrage zur Abgabe von Alternativen haben Sie bis zur Angebotsfrist zum 04.12.2024 nicht nochmal nachgefragt. Insofern dachten wir, dass Ihre Nachfrage auch mit der nochmaligen Bestätigung einer Einreichung von Nebenangeboten (unsere E-Mail vom 25.11.2024) beantwortet wurde. Mit der Abgabe Ihres Angebotes haben Sie für uns keinen Zweifel an der Verständlichkeit einerseits der Möglichkeit von Alternativangaben zu Bietertextergänzungen als auch Nebenangeboten gelassen.
Mit der Abgabe Ihres Angebotes ohne nochmalige Nachfrage können wir davon auszugehen, dass dies keine Auswirkungen auf Ihre Angebotserstellung hatte. Selbstverständlich können Sie davon ausgehen, dass bei Angabe von Alternativen in Positionen im Rahmen von Bietertextergänzungen, die jeweiligen technischen Daten mit der ausgeschriebenen Qualität auf Gleichwertigkeit bei der Auswertung der Angebote erfolgte."
Die Antragstellerin forderte den Antragsgegner mit E-Mail vom 18.12.2024 zur Aufhebung des Vergabeverfahrens und Neuausschreibung auf. Sie bemängelte die unzureichende Transparenz und wies erneut darauf hin, dass der EU-Schwellenwert deutlich überschritten sei.
Mit E-Mail vom 20.12.2024 teilte der Antragsgegner mit, dass der Zuschlag erteilt worden sei, ohne jedoch das erfolgreiche Unternehmen oder den Zuschlagstermin zu nennen. Ein Vorabinformationsschreiben gemäß § 134 Abs. 1 GWB wurde nicht übermittelt.
Mit Schreiben vom 20.01.2025 stellte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag.
Die Antragstellerin trägt vor, dass der Auftrag vergeben wurde, ohne dass er ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sei und ohne dass die Wartefrist des § 134 Abs. 1 GWB eingehalten worden sei. Durch die Art der Verfahrensführung, insbesondere die unklare Wahl der Verfahrensart sowie die fehlende Benennung von Mindestanforderungen bei Nebenangeboten seien die Rechte der Antragstellerin verletzt worden. Die Frist des § 135 Abs. 2 S. 1 GWB habe nicht zu laufen begonnen, da die vom Antragsgegner gemachten Angaben nicht ausreichend gewesen seien. Es gelte damit nicht die 30-Tage-Frist sondern die sechsmonatige Frist.
Die Antragstellerin habe auch der Rügepflicht genügt.
Die Antragstellerin beantragt,
1. festzustellen, dass der zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen am 13.12.2024 geschlossene Vertrag über die Errichtung einer VDI-Infrastruktur, Lieferung und Montage von Rechenzentrumscontainern gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB unwirksam ist,
2. der Antragstellerin Akteneinsicht zu gewähren,
3. dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Aufwendungen der Antragstellerin aufzuerlegen und
4. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Der Antragsgegner beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zu verwerfen,
2. die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Der Antragsgegner trägt vor, dass die Vergabekammer Berlin bereits nicht zuständig sei, da es sich um einen Bauauftrag handele, da die zu liefernden Container dauerhaft aufgestellt werden. Dafür bedürfe es einer Baugenehmigung. Damit sei der einschlägige Schwellenwert für Bauleistungen gem. § 106 GWB von 5.538.000 EUR nicht erreicht, da die Kostenschätzung bei ca. 1 Mio. EUR lag. Im Übrigen sei der Antrag gem. § 168 Abs. 2 GWB nicht zulässig, da der Zuschlag bereits erteilt worden sei. Die Frist des § 135 Abs. 2 S. 1 GWB sei bereits abgelaufen, da der Antragstellerin durch das Schreiben vom 13.12.2024 der Vertragsschluss mitgeteilt worden sei und spätestens mit Übermittlung des Submissionsprotokolls am 17.12.2024 die Frist begann, da ihr alle wesentlichen Merkmale des Angebots der Beigeladenen vorlagen und sie darüber informiert worden sei, dass die Beigeladene den Zuschlag erhalten habe. Diese Frist sei spätestens am 16.01.2025 abgelaufen. Die Frist des § 135 Abs. 2 S. 1 GWB erfordere hingegen keine § 134 Abs. 1 GWB entsprechende Zuschlagsmitteilung des Auftraggebers.
Die Beigeladene beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zu verwerfen,
2. die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragstellerin aufzuerlegen und
3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin für notwendig zu erklären.
Die Beigeladene trägt vor, dass der Antrag bereits unzulässig sei, weil er entgegen § 130a ZPO i.V.m. 130d ZPO nicht per BeA eingereicht worden sei. Diese seien analog anzuwenden, so dass wegen der Anwendungspflicht des § 130d ZPO eine Einreichung von Nachprüfungsanträgen durch Anwälte nur per BeA möglich sei. Des Weiteren sei die Vergabekammer nicht zuständig, da es sich um einen Bauauftrag handele. Dies folge zum einen daraus, dass die Leistung sich insgesamt als Bauleistung darstelle, dass es sich insgesamt um einen Werkvertrag handele und dass eine Baugenehmigung erforderlich sei. Insgesamt prägten Bauleistungen die gesamte Vergabe. Auch der Bau von Schulgebäuden oder Asylbewerberunterkünften stelle sich regelmäßig als Bauleistung dar. Das OLG Düsseldorf habe in einer Entscheidung entschieden, dass auch die Lieferung eines Autoklaven zum Einbau in ein Gebäude eine Bauleistung darstelle. So liege der Fall auch hier.
Mit Verfügung vom 24.02.2025 hat die Vorsitzende die Entscheidungsfrist letztmalig verlängert.
Mit Beschluss vom 25.02.2025 wurde das Verfahren gem. § 157 Abs. 3 GWB dem hauptamtlichen Beisitzer zur alleinigen Entscheidung übertragen.
Mit Beschluss vom 25.02.2025 wurde die Beigeladene beigeladen.
Mit Schreiben vom 26.02.2025 erteilte der hauptamtliche Beisitzer einen rechtlichen Hinweis.
Die Vergabeakten des Antragsgegners lagen der Kammer vor und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und die Verfahrensakte der Vergabekammer nebst der beigezogenen Vergabeakte verwiesen.
II.
Dem Nachprüfungsantrag war stattzugeben, da dieser zulässig und begründet ist, da die Rechte der Antragstellerin aus § 97 Abs. 6 GWB durch die Gestaltung des Vergabeverfahrens verletzt wurden.
1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der einschlägige Schwellenwert gem. § 106 GWB überschritten.
a. Der Antrag wurde gem. § 161 GWB in zulässiger Weise schriftlich per Fax eingereicht. Zwar mag § 130a ZPO analog anwendbar sein (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11.09.2024 - Verg 1 / 24 e, obiter dictum), so dass eine Einreichung ausschließlich per BeA auch zulässig wäre und der gem. § 161 GWB geforderten Schriftform entspricht. Jedenfalls kann aber eine analoge Anwendung von § 130a ZPO i.V.m. § 130d ZPO die auf das Nachprüfungsverfahren im Vergaberecht beschränkte Sonderregelung des § 161 GWB nicht verdrängen. Das ergibt sich zum einen daraus, dass entgegen der Ansicht der Beigeladenen schon gar keine planwidrige Regelungslücke besteht. Anders als die Vorschriften für gerichtliche Verfahren enthalten die gerichtsähnlich ausgestalteten Verwaltungsverfahren der §§ 54, 74 GWB sowie § 213 TKG genauso wie das in den §§ 155ff. GWB geregelte vergaberechtliche Nachprüfungsverfahren keine Regelungen zu einer elektronischen Einreichung von Anträgen, geschweige denn eine § 130d ZPO entsprechende Vorschrift zur verpflichtenden Nutzung. In § 87a Abs. 1 S. 2 AO hat der Gesetzgeber erst im Herbst 2024 ein Verbot der Nutzung des BeA gegenüber den Finanzämtern eingeführt. Insofern kann schon nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber eigentlich beabsichtigt hatte, gerade für das in den §§ 155 ff. GWB geregelte Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern eine aktive Nutzungspflicht des BeA einzuführen. Auch das nicht weiter verfolgte "Vergabetransformationspaket" aus dem Herbst 2024 sah eine solche Pflicht nicht vor, auch wenn eine elektronische Einreichung von Nachprüfungsantragen vorgesehen war.
Zum anderen verbietet sich schon methodisch eine analoge Anwendung von Vorschriften gegen den ausdrücklichen Gesetzeswortlaut des § 161 GWB. Auch dies spricht gegen das Bestehen einer planwidrigen Gesetzeslücke.
b. Der gem. § 106 GWB einschlägige Schwellenwert von 221.000 EUR wurde überschritten. Insbesondere handelt es sich entgegen der Einschätzung des Antragsgegners und der Beigeladenen nicht um einen Bauauftrag, so dass nicht der Schwellenwert von 5.538.000 EUR anwendbar ist. Die Abgrenzung eines Bauauftrags von Liefer- und Dienstleistungsaufträgen richtet sich gem. § 110 GWB nach dem Hauptgegenstand des zu vergebenden Auftrags (vgl. EuGH, Urteil vom 21.02.2008 - C-412/04; OLG Schleswig, Beschluss vom 28.03.2024 - 54 Verg 9/23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019 - VII-Verg 66/18). Die Definition von Bauaufträgen folgt nach § 103 Abs. 3 GWB aus dem Anhang II der RL 2014/24 EU. Nur Aufträge, deren Hauptgegenstand dort genannte Tätigkeiten sind, stellen Bauaufträge dar (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.4.2014 - VII-Verg 35/13). Die danach für den hier relevanten Hochbau einschlägige Klasse 45.21 enthält unter anderem die hier einschlägigen Hochbauleistungen. Nicht enthalten in der Klasse sind nach der Tabelle Aufträge, soweit Inhalt des Auftrags die "Errichtung vollständiger Fertigteilbauten aus selbst gefertigten Teilen, soweit nicht aus Beton" ist.
Es handelt sich auch nicht um die Planung und Ausführung eines Bauwerks nach § 103 Abs. 3 Nr. 2 GWB. Auch dafür ist die Voraussetzung, dass es sich bei den vergebenen Tätigkeiten um Bauleistungen i.S.d. Anhang II der RL 2014/24 EU handelt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30.4.2014 - VII-Verg 35/13; M).
Auch weitere Leistungen wie die Errichtung des Fundaments, die Plattierung und weitere Tiefbauarbeiten, bei denen es sich zum Teil um Bauleistungen handelt, sind schon deshalb nicht Hauptgegenstand der zu vergebenden Leistung, da diese optional in einem "Nebenangebot" abgegeben werden können, aber nicht müssen.
Vorliegend handelt es sich bei der Lieferung der Container und der weiteren Liefergegenstände auch nicht um Lieferungen in Zusammenhang mit einem Bauwerk, was den gesamten Auftrag zu einem Bauauftrag machen könnte. Denn die strittige Lieferung, der eventuelle Zusammenbau und die Aufstellung der Container wäre bei dieser Betrachtung selbst schon der Bauauftrag. Dabei handelt es sich aber gerade nach Klasse 45.21 der Tabelle des Anhang II der RL 2014/24 EU nicht um Bauleistungen, da die Container einerseits unstrittig, und wie von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung mehrfach betont, von den Auftragnehmern herzustellende Fertigteile sind und ebenso unstrittig nicht aus Beton bestehen. Diese Fertigteile können nach dem Ziffer 2.4 des Leistungsverzeichnisses entweder fertig oder teilfertig geliefert werden. Daher handelt es sich bei der Errichtung des Containerrechenzentrums aus vom Auftragnehmer zu liefernden Containern nicht um einen Bauauftrag nach § 103 Abs. 3 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB, sondern um einen Lieferauftrag, wie er auch von dem Antragsgegner während des Vergabeverfahrens bezeichnet wurde. Anders als in dem von der Beigeladenen zitierten Fall des OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11.12.2019 - Verg 53/18) führen hier die Lieferleistungen auch nicht zu einem schwerwiegenden Eingriff in die vorhandene Bausubstanz eines Gebäudes, um überhaupt die Leistung funktional anbieten zu können. Denn ohne die Lieferung der Container gibt es kein Gebäude, in dessen Substanz eingegriffen werden könnte. Die Container wiederum sind Liefergegenstand des Vertrags.
Keine Rolle spielt es sowohl nach GWB als auch nach der RL 2014/24 EU, ob für die Erbringung des Auftrags eine Baugenehmigung notwendig ist. Auch der - als Bauleistung qualifizierte - verwendete CPV-Code 45315700-5 führt nicht dazu, dass es sich bei der nachgefragten Leistung um eine Bauleistung handelt. Soweit Bauleistungen sowie nach Klasse 45.31 als Bauleistungen anzusehende Elektroinstallationsleistungen Teil des Auftrags sind, handelt es sich dabei lediglich um einen geringen Teil der Auftragssumme, im Bereich zwischen 10 und 15%, der auch nicht prägend für die Gesamtleistung und daher nicht Hauptgegenstand der Leistung ist. Der verwendete CPV-Code hingegen ist nicht konstitutiv für die Kategorisierung der Leistung. Zwar enthält das Leistungsverzeichnis unter Ziffer 4 - fälschlicherweise als Nebenangebot betitelt - auch optionale Bauleistungen, diese machen jedoch auch nicht den Hauptgegenstand der ausgeschriebenen Leistung aus. Das ergibt sich bereits daraus, dass diese einerseits als Nebenangebot betitelt wurden und andererseits es den Bietern freigestellt wurde, diese überhaupt anzubieten. Die weiteren Leistungen des Leistungsverzeichnisses sind weit überwiegend Lieferleistungen.
Damit ist der Schwellenwert für Dienst- und Lieferleistungen von 221.000 EUR anwendbar, dieser wurde auch nach Schätzung des Antragsgegners deutlich überschritten.
c. Es wurde auch die 6-Monatsfrist nach § 135 Abs. 2 S. 1 2. Hs GWB eingehalten. Vorliegend ist nicht die Frist von 30 Kalendertagen nach § 135 Abs. 2 1. Hs. GWB einschlägig, da die Anforderungen an die Information der Antragstellerin nicht erfüllt wurden. Die Information der Antragstellerin vom 13.12.2024 über den Zuschlag an eine andere Bieterin genügt nicht den Ansprüchen eines Schreibens nach § 135 Abs. 2 S.1 GWB. Danach muss der Auftraggeber die nicht erfolgreichen Bieter über die Merkmale informieren, die das bezuschlagte Angebot gegenüber den anderen Angeboten auszeichnen. Diese Informationen müssen zutreffend sein. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Weder ist für die Antragstellerin aus der am 13.12. versandten Information erkennbar, welches Unternehmen den Zuschlag erhalten hat noch sind die Merkmale des Angebots erkennbar, durch welche sich das Angebot gegenüber dem Angebot der Antragstellerin auszeichnet. Grundsätzlich wäre die Information, dass ein Angebot wirtschaftlicher ist, bei einem reinen Preiswettbewerb ausreichend, wenn auch der Preis genannt wird. Vorliegend wurde allerdings die Möglichkeit eröffnet, Nebenangebote und (als Nebenangebote bezeichnete) optionale Leistungen anzubieten, damit wurden auch Abweichungsmöglichkeiten der Angebote voneinander jenseits des Preises eröffnet. Diese hätten daher auch in einer Information nach § 135 Abs. 2 GWB ihren Platz finden müssen. Daher wurde die 30-Tage-Frist des § 135 Abs. 2 S. 1 GWB nicht durch das Schreiben vom 13.12.2024 in Gang gesetzt. Auch spätere Informationen wie die Information über die eingegangenen Angebote können die Frist nicht in Gang setzen, da diese bereits fehlerhaft sind. Mit Schreiben vom 17.12.2024 wurde der Antragstellerin das Submissionsprotokoll übermittelt, das einen Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen vom 04.12.2024 ausweist. Tatsächlich wurde das Angebot der Beigeladenen noch mit Schreiben vom
09.12.2024 verändert, insbesondere wurden sowohl Inhalte als auch Preise geändert. Dabei handelt es sich um neues Angebot, auf dieses wurde auch mit Schreiben vom 13.12.2024 rechtswidrigerweise (siehe 2. b. aa.) der Zuschlag erteilt. Damit waren die Informationen, die der Antragstellerin über den Zuschlag übermittelt wurden, nicht zutreffend. Des Weiteren geht auch aus diesen Informationen nicht hervor, welche Merkmale das Angebot hat. Dies wäre insbesondere angesichts des Zuschlags auf ein nicht näher beschriebenes rechtswidrig bezuschlagtes Nebenangebot notwendig gewesen. Es liegt somit keine sonstige eine Frist in Gang setzende Information der Antragstellerin vor. Die bloße Kenntnis der Auftragsvergabe genügt hingegen entgegen der vorigen Gesetzesfassung des § 101b GWB a.F. und der Ansicht des Antragsgegners nicht für den Beginn der Frist. Es bleibt also bei der 6-Monatsfrist, diese wurde eingehalten.
d. Die Rüge der unterbliebenen Vorinformation ist auch nicht nach § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB präkludiert, da sie innerhalb von 10 Tagen nach Kenntnis des rechtswidrigen Verhaltens, also der Kenntnis des Vertragsschlusses ohne Einhaltung der 10-Tagesfrist des § 134 GWB, erhoben wurde.
Die Antragstellerin ist auch antragsbefugt, insbesondere hat sie ein Angebot abgegeben und dargelegt, dass sie durch die Gestaltung des Vergabeverfahrens durch den Antragsgegner in ihren Rechten verletzt ist.
2. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet, der geschlossene Vertrag war danach gem. § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB für unwirksam zu erklären. Der Antragsgegner hat den Auftrag unter Verstoß gegen § 134 Abs. 1 GWB vergeben.
a. Die Antragstellerin rügt unter anderem, dass kein Vorabinformationsschreiben nach § 134 Abs. 1 GWB versandt wurde. Dies ist der Fall, das Schreiben vom 13.12.2024 genügt nicht den Ansprüchen an ein Vorabinformationsschreiben, überdies wurde die 10-Tagesfrist vor Zuschlagserteilung nicht eingehalten, da die Antragstellerin an diesem Tag über den bereits vorher am selben Tag erteilten Zuschlag informiert wurde.
b. Der bloße Verstoß gegen § 134 GWB stellt an sich noch keinen Grund für die Aufhebung der Zuschlagsentscheidung dar, der Antragstellerin muss auch darüber hinaus ein Schaden entstanden sein. Dies ist nach vorläufiger Auffassung in mehreren Punkten der Fall.
Die Angebotswertung wurde fehlerhaft durchgeführt, die Beigeladene hat kein Hauptangebot, sondern lediglich ein Nebenangebot abgegeben. Die Abgabe und Wertung von Nebenangeboten waren im vorliegenden Verfahren allerdings unzulässig (siehe dd.). Des Weiteren haben rechtswidrige Verhandlungen über das Angebot der Beigeladenen stattgefunden, die das Angebot erst zuschlagsfähig gemacht haben (siehe aa.). Die Beigeladene hätte dementsprechend nicht den Zuschlag erhalten dürfen. Der Antragsgegner hat ebenfalls gegen die Regelungen zum Einsatz elektronischer Mittel nach §§ 10, 11 VgV im Vergabeverfahren verstoßen (siehe bb). Damit ist der Antragstellerin neben dem Verstoß gegen die Vorschrift des § 134 GWB auch durch weitere Verstöße gegen Vergabevorschriften Vergabeverfahren ein Schaden entstanden.
aa. Das Angebot der Beigeladenen hätte nicht gewertet werden dürfen, da es ausweislich des
Nachforderungsschreibens wesentliche Preisbestandteile nicht enthielt, die Vorgaben des Leistungsverzeichnisses nicht einhielt und entgegen § 15 Abs. 5 S. 2 VgV deshalb Nachverhandlungen stattgefunden haben, die zum Zuschlag auf ein neues Angebot, nämlich in der Version vom 09.12.2024, geführt haben. Nach § 15 Abs. 5 VgV dürfen Angebote nur so gewertet werden, wie sie vorgelegt wurden (OLG München, Beschluss vom 02.09.2010 - Verg 17/10; OLG Koblenz, Beschluss vom 15.7.2008 - 1 Verg 2/08; Beck VergabeR/Dörn VgV § 15 Rn. 40; Ziekow/Völlink/Steck VgV § 15 Rn. 39). Durch die Anforderung der Änderung der Autonomiezeit der USV sowie der deshalb notwendigen Anpassung des Preises des Angebots hat der Antragsgegner gegen das Verhandlungsverbot verstoßen. Ein Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen hätte nicht erfolgen dürfen.
bb. Der Antragstellerin ist auch durch den Verstoß des Antragsgegners gegen die Vorschriften der §§ 9 ff. VgV ein Schaden entstanden.
Entgegen dieser Vorgaben wurde die Angebotsabgabe per E-Mail durchgeführt, dies verstößt gegen § 10 Abs. 1 VgV in allen Punkten. Danach müssen insbesondere elektronische Mittel zur Angebotsabgabe nach Nr. 2 so gestaltet sein, dass gewährleistet ist, dass eine Öffnung der Angebote vor Ablauf der Angebotsfrist nicht möglich ist. Dies ist bei einer Angebotsabgabe per E-Mail nicht möglich, so ist nicht gewährleistet, dass die Angebote nicht vor dem Ende der Angebotsfrist geöffnet werden können. Auch eventuell getroffene, hier nicht dokumentierte, organisatorische Maßnahmen genügen der Vorgabe nicht.
Des Weiteren verstößt diese Art der Kommunikation per E-Mail gegen § 11 Abs. 2 VgV. Danach müssen elektronische Mittel zum Senden, Empfangen, Weiterleiten und Speichern von Daten gewährleisten, dass diese unversehrt bleiben, dass die Echtheit der Daten gewährleistet bleibt und dass diese vertraulich bleiben. Auch dies ist bei einer Kommunikation per E-Mail nicht möglich. Dies zeigt sich vorliegend beispielsweise auch darin, dass in der Vergabeakte weder sämtliche Bieterfragen erkennbar sind, noch dass diese in nachvollziehbarer Anordnung vorliegen. Die Vorgaben der §§ 10 und 11 VgV sollen namentlich sicherstellen, dass das Prinzip der Gleichbehandlung gewahrt bleibt. Die Einhaltung der Vorschriften der §§ 9 ff. VgV ist mit einer Kommunikation und Angebotseinreichung per E-Mail nicht möglich. Darin liegt auch ein Schaden für die Antragstellerin in Form einer Verschlechterung der Zuschlagschancen, da so nicht ausgeschlossen werden kann, dass Konkurrenten Kenntnis vom Inhalt des Angebots der Antragstellerin erhalten und ihr Angebot daraufhin anpassen können.
cc. Der Antragsgegner hätte entgegen seiner Annahme keine Nebenangebote annehmen und den Zuschlag auf diese erteilen dürfen (EuGH, Urteil vom 16. 10. 2003 - C-421/01; OLG Koblenz, Beschluss vom 31. Mai 2006 - 1 Verg 3/06; Ziekow/Völlink/Goede VgV § 35 Rn. 26). Er hätte dieses vielmehr ausschließen müssen. Dies folgt aus den nicht vorhandenen Regelungen im Leistungsverzeichnis hinsichtlich der einzuhaltenden Mindestbedingungen bei Nebenangeboten. Nebenangebote dürfen nur dann gem. § 35 Abs. 2 S. 1 VgV überhaupt gefordert und zugelassen werden, wenn diese vorher festgelegte und veröffentlichte Mindestbedingungen einhalten. Hier ist nicht erkennbar, ob und welche Mindestbedingungen für Nebenangebote gelten sollen, ebenso wenig wie der Auftraggeber deren Einhaltung kontrollieren wollte. Dabei ist die Mitteilung des Antragsgegners vom 25.11.2024, dass auch "vom LV losgelöste Nebenangebote" zulässig sein sollen, ebenfalls ein Verstoß, hier sowohl gegen den Grundsatz der vollständigen Leistungsbeschreibung als auch gegen den Grundsatz der Transparenz. Denn dies ermöglicht die Abweichung von sämtlichen Teilen der Leistungsbeschreibung, so dass im Extremfall nicht einmal mehr vergleichbare Angebote vorliegen würden.
dd. Ungeachtet der unzulässigen Einreichung als Nebenangebot hätte der Antragsgegner das Angebot der Beigeladenen auch nach § 57 Abs. 1 Nr. 4 VgV ausschließen müssen, da es nicht den Anforderungen an die abzugebenden Angebote hinsichtlich der Autonomiezeit der USV entsprechend der Anforderung aus der Antwort auf die Bieterfrage vom 14.11. entsprach. Die Veränderung der Anforderung per Bieterfrage war auch zulässig, insbesondere bestehen trotz der unzulässigen Art der Kommunikation weder Anzeichen dafür noch wurde dies vorgetragen, dass die Beigeladene keine Kenntnis der geänderten Anforderung hatte. Die Nachforderung des geänderten Angebots war sowohl nach § 15 Abs. 5 S. 2 VgV als auch nach § 56 Abs. 3 VgV unzulässig. Das Angebot der Beigeladenen entsprach erst nach der Einreichung des neuen Angebots vom 09.12.2024 den Anforderungen der Leistungsbeschreibung. Das Angebot hätte demnach zwingend ausgeschlossen werden müssen.
ee. Die Nichtbeantwortung von Bieterfragen der Antragstellerin war rechtswidrig und hat die Antragstellerin in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt. Zu diesen Rechten gehört unter anderem der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Transparenz. Mit beiden Grundsätzen ist es nicht vereinbar, wenn einerseits bestimmte Bieterfragen beantwortet werden und andere, wie die der Antragstellerin vom 21.11.2024, nicht. Daran vermag, anders als vom Antragsgegner angenommen, auch die nicht angemahnte Nichtbeantwortung der Fragen und auch nicht die Angebotsabgabe ohne weitere Rüge etwas zu ändern. Es besteht keine Pflicht zur Erinnerung an die Beantwortung von Bieterfragen. Zwar besteht für den Bereich der VgV, anders als bei § 12a EU VOB/A, keine Pflicht zur Beantwortung von Bieterfragen, diese wird jedoch allgemein angenommen und erwächst jedenfalls dann aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz, wenn Bieterfragen eines Bieters von der Vergabestelle beantwortet werden.
Daraus ergibt sich für die Antragstellerin auch ein Schaden, da nach § 35 Abs. 2 VgV die Art und Weise der Einreichung von Nebenangeboten angegeben werden muss. Die Kennzeichnung als Nebenangebot ist hingegen nicht möglich, wenn der Antragsgegner nicht mitteilt, wie das Nebenangebot zu kennzeichnen ist. Die Antragstellerin hat auch angegeben, dass dies sie davon abgehalten habe, ein Nebenangebot einzureichen, das möglicherweise den Zuschlag hätte erhalten müssen. Dadurch ist ihr auch ein Schaden entstanden.
III.
Der Antrag auf Akteneinsicht der Antragstellerin war abzulehnen. Der Anspruch auf Akteneinsicht hat im Nachprüfungsverfahren eine rein dienende, zum zulässigen Verfahrensgegenstand akzessorische Funktion (vergl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, VIIVerg 25/21; Beschluss vom 20. Dezember 2019, VII-Verg 35/19). Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen dieser Amtsermittlung auch Umstände berücksichtigt werden können, deren Offenlegung mit Rücksicht auf Geheimhaltungsinteressen abzulehnen ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. April 2022, VII-Verg 25/21 unter Verweis auf BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16). Daraus ergibt sich für die Akteneinsicht der Antragstellerin, dass ihr sämtliche für die Verfolgung ihrer Rechtsposition relevante Tatsachen und Akteninhalte bereits bekannt waren, soweit diese nicht wie das Angebot der Beigeladenen der Geheimhaltung als Betriebs- und Geschäftsgeheimnis gem. 165 Abs. 2 GWB von der Akteneinsicht ausgeschlossen sind. Letzteres gilt für das Angebot und die Nachforderung des Antragsgegners bei der Beigeladenen sowie deren verändertes Angebot vom 09.12.2024. Dies hindert allerdings nicht die Berücksichtigung der damit im Zusammenhang stehenden Vergaberechtsverstöße im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens im Rahmen der Amtsermittlung zugunsten der Antragstellerin.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 GWB.
Der Antragsgegner und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens - an sich - gesamtschuldnerisch zu tragen. Nach § 182 Abs. 3 S. 1 GWB hat ein Beteiligter die Kosten zu tragen, soweit er im Verfahren unterliegt. Mehrere Kostenschuldner haften als Gesamtschuldner, § 182 Abs. 3 S. 2 GWB.
Die Festsetzung der Verfahrensgebühr beruht auf § 182 Abs. 2 GWB und entspricht dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer. Die Vergabekammer zieht als Ausgangspunkt insofern die auftragswertorientierte Gebührentabelle der Vergabekammern des Bundes (derzeit abrufbar unter https://www.bundeskartellamt.de/DE/Vergaberecht/Materialien/Materialien_node.html) heran. Dabei legt die Kammer den Bruttoangebotspreis der Antragstellerin zugrunde, der den Wert des Auftrags repräsentiert. Unter Beachtung des personellen und sachlichen Aufwands der Vergabekammer für das hiesige Nachprüfungsverfahren, welches trotz der ausführlichen Schriftsätze der Beteiligten und der mündlichen Verhandlung gerade noch durchschnittlich umfangreich war, ergibt sich eine Verfahrensgebühr in Höhe von ... EUR.
Der Antragsgegner ist gemäß § 182 Abs. 1 S. 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG allerdings von der Zahlung der Gebühren befreit. Im Ergebnis wird daher nur die Beigeladene zur Entrichtung der Gebühren herangezogen. Bei einer derartigen sogenannten gestörten Gesamtschuld ist nach allgemeiner, sich nur in Details unterscheidender Rechtsprechung und Literatur, ein Ausgleich durch eine Beschränkung der Gebührenschuld für die verbliebenen Gebührenschuldner vorzunehmen (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 - Verg 35/15; Beschl. v. 14.09.2009 - Verg 20/09; VK Rheinland, Beschluss vom 28.05.2019 - VK K 55 / 17 L; VK Westfalen, Beschluss vom 07.04.2017 - VK 1 - 07/17; Glahs, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 182 GWB, Rn. 18). Die Kammer kürzt daher die an sich angemessene Gebühr um den Betrag, der dem internen Haftungsanteil des Antragsgegners von 1.600,00 EUR entspricht (vgl. Summa, in: Heiermann/Zeiss/Summa, jurisPK-Vergaberecht, Stand: 24.11.2020, § 182 GWB, Rn. 67).
Nach § 182 Abs. 4 S. 1 GWB haben der Antragsgegner und die Beigeladene die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin zu tragen. Anders als für die Kosten der Vergabekammer nach § 182 Abs. 3 S. 2 GWB ordnet § 182 Abs. 4 S. 1 GWB insoweit keine gesamtschuldnerische Haftung an, sodass die Beteiligten entsprechend ihres Anteils am Unterliegen heranzuziehen sind (vgl. schon BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06). Da sich der Antragsgegner und die Beigeladene mit identischen Rechtsschutzzielen und im Kern mit gleicher Begründung gegen den Nachprüfungsantrag gewandt haben, haben sie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin jeweils zur Hälfte zu tragen. Ihre eigenen Aufwendungen tragen der Antragsgegner und die Beigeladene jeweils selbst. Anhaltspunkte für die Notwendigkeit eines Ausgleichs unter ihnen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Auf den Antrag der Antragstellerin stellt die Vergabekammer nach § 182 Abs. 4 S. 4 GWB
i.V.m. § 80 Abs. 2, 3 Satz 2 VwVfG die Notwendigkeit der Hinzuziehung ihrer Verfahrensbevollmächtigten fest. Ob die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 26.09.2006 - X ZB 14/06; OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 30.03.2010 - 11 Verg 3/10). Entscheidend ist dabei, ob die Antragstellerin unter den konkreten Umständen des Falls selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, hieraus die für eine sinnvolle Rechtsverfolgung nötigen Schlüsse zu ziehen und entsprechend gegenüber der Vergabekammer vorzutragen (vgl. schon VK Berlin, Beschluss vom 26.08.2014 - VK - B 1 - 10/14 m.w.N.). Danach ist die Hinzuziehung vorliegend notwendig gewesen. Vorliegend geht es um Mängel des Vergabeverfahrens in nahezu allen Verfahrensschritten und deren potentielle Auswirkungen auf eine Unwirksamkeitsfeststellung in Kombination mit bisher wenig behandelten Fristfragen bei der Einleitung des Nachprüfungsverfahrens. Es kann von der Antragstellerin nicht erwartet werden, derartig komplexe Fragen des Vergaberechts, bei dem es sich noch dazu um eine Spezialmaterie handelt (vgl. OLG Schleswig, Beschl. v. 12.11.2020 - 54 Verg 2/20), tatsächlich und rechtlich ohne Rechtsbeistand zu lösen und vor der Kammer entsprechend vorzutragen.
(Rechtsmittelbelehrung)
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VG Düsseldorf
Urteil
vom 10.04.2025
6 K 4798/21
1. Ein Zuwendungsgeber ist zum Widerruf der gewährten Zuwendung berechtigt, wenn ein schwerer Verstoß gegen Vergaberecht vorliegt. Ein derartiger Verstoß liegt bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung vor (wie Runderlasses des Finanzministeriums vom 18.12.2003 - I 1-0044-3/8).*)
2. Zur Abgrenzung zwischen konstruktiver Leistungsbeschreibung (= Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis) und (teil-)funktionaler Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm).*)
3. Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters klar ersichtlich ist, welche Leistung der Auftragnehmer zu welcher Zeit, in welchem Umfang und in welcher Qualität zu erbringen hat und welche Anforderungen und Bedingungen an die vom Auftraggeber geforderte Leistung gestellt werden.*)
VG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2025 - 6 K 4798/21
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen einen Widerrufs- und Erstattungsbescheid des Beklagten betreffend eine ihr gewährte Subvention.
Am 26. Mai 2003 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Fördermittel für das Vorhaben "Wegweisungsbeschilderung im Stadtgebiet ###" aus dem Programm "Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden nach den Förderrichtlinien Stadtverkehr - FöRi-Sta - (SMBl. NW. 910) - Kommunaler Straßenbau". Mit Zuwendungsbescheid Nr. 8 der Bezirksregierung G. vom 8. November 2012 zum Zuwendungsbescheid Nr. 1 vom 31. Dezember 2005 und den danach ergangenen Bescheiden wurde der Klägerin für den Bewilligungszeitraum 31. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2022 eine Zuwendung in Höhe von 1.138.900,00 Euro unter dem Ordnungsmerkmal 2003 08 50 bewilligt. In diesem Bescheid wird unter Ziffer 2. bezüglich der Nebenbestimmungen auf den Zuwendungsbescheid Nr. 1 verwiesen, wonach unter anderem die ANBest-G Bestandteil des Bescheides sind. Diese sehen unter anderem vor, dass die Zuwendung nur zur Erfüllung des im Zuwendungsbescheid bestimmten Zwecks sowie wirtschaftlich und sparsam verwendet werden darf (Ziffer 1.1) und bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten sind (Ziffer 3.1).
Die Klägerin schrieb die Wegweisungsbeschilderungen öffentlich aus und beauftragte am 20. März 2006 das Unternehmen "C.". Am 3. April 2007 erweiterte die Klägerin den Auftrag. Nach Vorlage des Schlussverwendungsnachweises am 10. September 2012 überprüften der Landesrechnungshof NRW und die Bezirksregierung G. die ordnungsgemäße Mittelverwendung und beanstandeten in diesem Kontext verschiedene Aspekte. Mit Schreiben vom 31. August 2017 nahm die Klägerin erstmalig zu den Prüfungsbeanstandungen des Landesrechnungshofes NRW, auch hinsichtlich der Prüfungsmitteilung (PM) 4.2.4 (Ausschreibungsgenauigkeit), Stellung. Wegen der Einzelheiten der Prüfungsbeanstandungen und der Erwiderungen der Klägerin wird auf die zur Gerichtsakte gereichte Synopse (Bl. 14 ff.) Bezug genommen. Mit Bescheid vom 27. August 2018 widerrief der Beklagte sodann den im Förderverfahren OM 03 08 50 erteilten letzten Zuwendungsbescheid Nr. 8 mit Wirkung auch für die Vergangenheit hinsichtlich bisher anerkannter zuwendungsfähiger Ausgaben in Höhe von 36.357,00 Euro und machte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 29.100,00 Euro geltend. In diesem Bescheid wies der Beklagte darauf hin, dass die abschließende Bewertung der Prüfungsbeanstandung zu PM 4.2.4 hinsichtlich des Vorwurfes der Ungenauigkeit des Leistungsverzeichnisses bis zur Entscheidung des Verkehrsministeriums NRW zurückgestellt und daher in diesem Rahmen noch nicht berücksichtigt worden sei.
Mit Schreiben vom 17. Juni 2020 teilte der Beklagte der Klägerin das Ergebnis der abschließenden Prüfungen mit, vertrat die Ansicht, dass die Klägerin wegen fehlender Ausschreibungsgenauigkeit (PM 4.2.4) gegen das Vergaberecht und damit gegen die Zuwendungsbedingungen verstoßen habe und gab ihr Gelegenheit zur Stellungnahme. Hiervon machte die Klägerin am 31. August 2020 Gebrauch, indem sie mitteilte, dass eine Ausschreibungsungenauigkeit nicht vorliege, weil die Leistungen teilfunktional ausgeschrieben worden seien und es gerade zum Wesen einer funktionalen Ausschreibung gehöre, nur ein Leistungsprogramm und nicht konkrete Einzelheiten, wie in einem Leistungsverzeichnis, vorzugeben.
Mit Bescheid vom 30. Juni 2021 - der Klägerin am 5. Juli 2021 zugestellt - widerrief der Beklagte unter Ziffer 1. auch für die Vergangenheit den Zuwendungsbescheid Nr. 8 vom 8. November 2012 zum Zuwendungsbescheid Nr. 1 vom 31. Dezember 2005 und den danach ergangenen Bescheiden im Förderverfahren OM 03 08 50 - unter Berücksichtigung der sich bei der Abrechnung ergebenden auflösenden Bedingung nach Ziffer 2 ANBest-G und des weiteren Ergebnisses der Schlussrechnung - aufgrund der Prüfbeanstandungen des Landesrechnungshofes NRW teilweise zum 4. März 2013 hinsichtlich der bisher anerkannten zuwendungsfähigen Ausgaben in Höhe von 280.504,48 Euro. Unter Ziffer 2. machte der Beklagte einen Erstattungsanspruch in Höhe von 253.497,17 Euro geltend. Mit dem streitgegenständlichen Bescheid legte der Beklagte die Zinspflicht ausdrücklich dem Grunde nach fest (Ziffer 3.). Schließlich kündigte der Beklagte einen gesonderten Zinsbescheid hinsichtlich der konkreten Höhe der zu beanspruchenden Zinsen nach Eingang des Erstattungsbetrags an (Ziffern 4. und 5.). Zur Begründung führte der Beklagte aus, dass der Landesrechnungshof NRW verschiedene Beanstandungen festgestellt habe, von denen - bis auf die nunmehr abzuwickelnde PM 4.2.4 (Ausschreibungsgenauigkeit) - alle bereits mit Widerrufs- und Erstattungsbescheid vom 27. August 2018 hätten ausgeräumt werden können. Rechtsgrundlage für den Widerruf sei § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 VwVfG NRW. Die Klägerin habe die genehmigten Fördermittel auch für Ausgaben eingesetzt, die aufgrund des Prüfberichts des Landesrechnungshofes NRW teilweise von der Förderung auszuschließen seien. Die Klägerin habe gegen Grundsätze der für die Bewirtschaftung der Haushaltsmittel des Landes geltenden Vergabevorschriften verstoßen, insbesondere gegen § 9 VOB/A 2006, da sie keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung vorgenommen habe. Nach Ziffer 3.1 des Runderlasses des Finanzministeriums vom 18. Dezember 2003 - I 1 - 0044 - 3/8 - liege bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung ein schwerer Vergabeverstoß vor, der grundsätzlich einen Widerruf des Zuwendungsbescheides und die Neufestsetzung der Zuwendung zur Folge habe. Insgesamt würden nur 30 % des vom Landesrechnungshof NRW beanstandeten Betrags in Höhe von 806.047,30 Euro abgesetzt werden, mithin 280.504,46 Euro. Da bereits 745.800,00 Euro ausgezahlt worden seien, ergebe sich ein Rückforderungsbetrag in Höhe von 253.497,17 Euro. Die Jahresfrist nach §§ 48 Abs. 4, 49 Abs. 2 VwVfG NRW sei gewahrt, da die Mitteilung im Widerrufs- und Erstattungsbescheid vom 27. August 2018, dass eine abschließende Bewertung dieser Prüfungsbeanstandung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen solle, den Lauf der Jahresfrist hemme. Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist erst beginnen könne, gehöre regelmäßig das Anhörungsverfahren, unabhängig von dessen Ergebnis. Daher habe die Jahresfrist erst am 1. September 2020 zu laufen begonnen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 9. Juli 2021 Klage erhoben. Noch vor ihrer Klagebegründung hat sie den zurückgeforderten Geldbetrag vorsorglich überwiesen, um im Fall eines Unterliegens eine etwaige Zinszahlungspflicht zu verringern. Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, die Voraussetzungen für einen Widerruf lägen nicht vor. Zum einen habe der Beklagte die Aufhebungsfrist nicht eingehalten, da diesem zum Zeitpunkt der Anhörung am 17. Juni 2020 der Sachverhalt vollständig bekannt gewesen sei und mit ihrer eigenen Stellungnahme vom 31. August 2020 lediglich unterschiedliche Rechtsansichten ausgetauscht worden seien. Zum anderen liege kein Widerrufsgrund vor. Die Klägerin habe nicht gegen Ziffer 3.1 ANBest-G verstoßen, da sie das Vergaberecht eingehalten habe. Aus § 126 Abs. 1 Satz 2 GWB ergebe sich, dass der öffentliche Auftraggeber ein Wahlrecht habe, ob er eine konstruktive Leistungsbeschreibung (Leistungsverzeichnis) oder eine funktionale Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung) vorgebe. Gerade Letzteres eröffne erhebliche Gestaltungsspielräume, indem die Bieter nach Lösungskonzepten gefragt würden. Ihrem Wesen nach schließe die funktionale Leistungsbeschreibung nicht aus, dass nicht kalkulierbare und damit riskante Leistungen ausgeschrieben würden. Dass hier bei den Planungsleistungen Risiken auf den Bieter verlagert würden, sei vielmehr typisch für die funktionale Leistungsbeschreibung. Vorliegend habe die Klägerin von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und eine teilfunktionale Ausschreibung gewählt, auch vor dem Hintergrund, die Kosten möglichst niedrig zu halten. Denn wenn sie zu jeder einzelnen Wegweisungsbeschilderung ein entsprechendes kleinteiliges Leistungsverzeichnis erstellt hätte, wäre der Aufwand viel höher gewesen und die Förderung hätte sich insgesamt nicht mehr gerechnet. Weil demnach der Widerruf rechtswidrig sei, läg en auch die Voraussetzungen für eine Rückforderung einschließlich Verzinsung nicht vor.
Die Klägerin beantragt,
den Widerrufs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2021 (Az.: N01) aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung bezieht sich der Beklagte auf seinen Widerrufsbescheid und führt ergänzend und vertiefend aus: Es liege ein Widerrufsgrund nach § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 VwVfG NRW vor. In § 3 GVFG sei festgelegt, dass die zu fördernden Vorhaben bau- und verkehrstechnisch einwandfrei und unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit geplant und durchgeführt werden müssten. § 9 Nr. 6 VOB/A 2002, der Anwendung finde, sehe vor, dass die Leistung in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden solle, mithin eine konstruktive Leistungsbeschreibung stattfinden solle. Im Leistungsverzeichnis sei die Leistung nach § 9 Nr. 9 VOB/A 2002 derart aufzugliedern, dass unter einer Ordnungszahl nur solche Leistungen aufgenommen würden, die nach ihrer technischen Beschaffenheit und für die Preisbildung als in sich gleichartig anzusehen seien. Neben einer hinreichenden Übersicht über die gewünschte Bauleistung im Allgemeinen gelte als weiterer Bestandteil der Leistungsbeschreibung ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis. Gerade Letzteres müsse den Anforderungen des § 9 Nr. 9 VOB/A 2002 genügen, es müsse also eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung enthalten, die für alle Bewerber gleichermaßen verständlich sei, insbesondere im Hinblick auf die Preisberechnung, die für die Angebotsbearbeitung wesentlicher, wenn nicht ausschlaggebender Bestandteil sei. Grundlegend wichtig dabei sei, dass das Leistungsverzeichnis in Teilleistungen im Bereich des jeweiligen Ausschreibungsrahmens aufzugliedern sei. Der Grundsatz, dass die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis die Regel bilden solle, gelte vor allem für den öffentlichen Auftraggeber, wie sich aus Nr. 1.3 VHB 2002 ergebe. Nach § 9 Nr. 10 VOB/A 2002 könne abweichend von Nr. 6, wenn es nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig sei, auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, die Leistung durch ein Leistungsprogramm dargestellt werden (funktionale Leistungsbeschreibung). Bei der funktionalen Ausschreibung handele es sich um eine besondere Form der Leistungsbeschreibung als Ausnahmetyp. Sie komme dann in Betracht, wenn die Leistung oder Teile derselben durch verkehrsübliche Bezeichnungen nach Art, Beschaffenheit und Umfang nicht hinreichend beschreibbar seien, sodass dabei auf eine Darstellung ihres Zwecks, ihrer Funktion sowie der an sie gestellten sonstigen Anforderungen zurückgegriffen werden könne. Da hierbei von Anfang an die Transparenz vermindert sei, stelle die Wahl einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm nach der VOB/A einen Ausnahmefall dar, der vom Auftraggeber zu begründen und zu dokumentieren sei. Die Beurteilung der Zweckmäßigkeit stehe zwar im Ermessen der ausschreibenden Stelle, könne aber auf eine fehlerfreie Ermessensausübung überprüft werden. Vorliegend habe die Klägerin für die Baumaßnahme "Erneuerung der wegweisenden Beschilderung im Stadtgebiet ###" Angebote für das Entfernen der alten und die Lieferung und das Aufstellen der neuen wegweisenden Beschilderung im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung angefordert; bereits alleine aufgrund dieser Bauaufgabenart sei die Zweckmäßigkeit der in Rede stehenden besonderen Leistungsbeschreibungsform durchgreifenden Zweifeln unterworfen. Wie dem Aktenvorgang des Landesrechnungshofes NRW entnommen werden könne, habe die Klägerin die Bauleistung beschrieben und die Teilleistungen detailliert, das heißt mit Positionsnummer, Mengeneinheitsangabe, Einheits- und Gesamtpreis in einem Leistungsverzeichnis aufgeführt. Somit handele es sich eindeutig um eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis und zu keinem Zeitpunkt sei eine andere Form der Leistungsbeschreibung erkenn bar gewesen. Selbst wenn man der Klägerin eine teilfunktionale Beschreibung zuspräche, würde es an der von der VOB/A vorgesehenen Abwägung aller Umstände seitens der Klägerin in Form eines dokumentierten Abwägungsprozesses zur Zweckmäßigkeit einer funktionalen Leistungsbeschreibung fehlen. Die von der Klägerin in ihrer Klageschrift nachgereichte alleinige Kostenbegründung für die Wahl einer teilfunktionalen Leistungsbeschreibung sei an dieser Stelle weder ausreichend noch zweckmäßig. Die Klägerin habe - entgegen § 9 Nr. 10 VOB/A 2002 - keine eingehenden und pflichtgemäßen Überlegungen darüber angestellt, ob die hier erörterte Art der Leistungsbeschreibung in Betracht gezogen werden könne. Nach Ziffer 3.2 des Runderlasses des Finanzministeriums NRW vom 18. Dezember 2003 - I 1-0044-3/8 - zur Rückforderung von Zuwendungen wegen Nichtbeachtung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A) und der Verdingungsordnung für Leistungen - ausgenommen Bauleistungen - (VOL/A) liege bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung ein schwerer Vergabeverstoß vor, der grundsätzlich einen Widerruf des Zuwendungsbescheides und die Neufestsetzung (Kürzung) der Zuwendung zur Folge habe.
Die Klägerin repliziert hierauf, dass es im Ermessen des Auftraggebers liege, wie er seine Leistungen ausschreibe, das heißt ob er sich eines klassischen Leistungsverzeichnisses, eines Leistungsprogramms oder einer funktionalen sowie einer teilfunktionalen Ausschreibung bediene. Die Ausführungen zu § 9 Nr. 6 und Nr. 9 VOB/A 2002 würden nicht greifen, denn sie würden sich nur auf die Leistungsbeschreibung mit einem Leistungsverzeichnis beziehen. Vorliegend seien die Leistungen jedoch gerade teilfunktional ausgeschrieben worden. Einziger Maßstab sei folglich, dass die Leistung gemäß § 9 Nr. 1 VOB/A 2002 so eindeutig und erschöpfend beschrieben werde, dass alle sachkundigen Wettbewerber sie unter Zuhilfenahme ihres Fachwissens gleichermaßen verstehen würden und ihnen ohne unnötige bieterseitige Vorermittlungen eine Angebotsabgabe ermögliche. Dies sei hier gegeben. Es hätten sich im Vergabeverfahren weder Bieterfragen noch Unklarheiten ergeben. Es sei zu keinerlei Rückfragen, Aufklärungsansinnen oder gar "Rügen" hinsichtlich der Qualität und Eindeutigkeit der Leistungsbeschreibung gekommen. Schließlich hätten sich alle Bieter in die Lage versetzt gesehen, eine valide Kalkulation zur Preisermittlung und Angebotslegung zu erarbeiten. Es seien durch die Klägerin alle notwendigen Maßnahmen ergriffen worden, um die Leistung so eindeutig und erschöpfend wie möglich und nötig, verkehrsüblich und kalkulierbar zu beschreiben. Hierzu sei neben dem eigenen Sachverstand auch die Unterstützung eines auf diesem Sektor besonders spezialisierten Planungsbüros eingeworben worden und es sei der intensive Austausch mit anderen Baulastträgern gesucht worden, um die Leistungsbeschreibung zu optimieren und an die gegebenen Rahmenbedingungen anzupassen. In der Leistungsbeschreibung seien alle für die Preisbildung wesentlichen Umstände und Angaben in der möglich en und erforderlichen Klarheit formuliert und angegeben worden, um eine individuelle Preisberechnung für alle potentiellen Bieter zu gewährleisten. So seien zentral vor den eigentlichen Leistungstexten u.a. für die Schilder wie auch die Aufstellvorrichtungen die Materialarten und Materialgüten (z.B. Zugfestigkeiten), Konstruktionsvorgaben/-hilfen (Aussteifungen, Windlasten) Farbgebung, Folieneigenschaften (Reflektionsanforderungen, Foliengüte), Standortangaben im Stadtgebiet mit entsprechenden Richtzeichnungen etc. angegeben worden. Die Klägerin sei nach § 9 Nr. 10 VOB/A 2002 berechtigt gewesen, die Leistungen teilfunktional auszuschreiben. Die Zweckmäßigkeit sei hier gegeben, denn es habe sich um ca. 700 Kleinstbaumaßnahmen gehandelt, die über das ganze Stadtgebiet ### verteilt gewesen seien. Eine umfassende Baugrunduntersuchung oder Einmessung mit einer dezidierten Leistungsbeschreibung je Standort wäre nicht zielführend gewesen. Zudem entstünden während einer knapp dreijährigen Umsetzungsphase unabweisbare Änderungs- und Anpassungsbedarfe. Auch würde eine Baugrunduntersuchung bei den oftmals sehr kleinen "Punktbaustellen", wie z.B. Schildermasten, für den Bieter keinen weiteren Erkenntnisgewinn liefern, da das vorhandene Fundament (bei einer Größe von ca. 1 m² und 1 m Gründungstiefe) quasi abgebrochen werden müsste, um eine aussagekräftige Zustandsbeschreibung zu erhalten. Wenn die Klägerin unter diesen Rahmenbedingungen dezidierte, kleinteilige Untersuchungen zur Fertigung von über 700 individuellen Leistungsbeschreibungen für kleinste Punktbaustellen anfertigen müsste, widerspräche dies im Übrigen auch dem Grundsatz einer sparsamen und wirtschaftlichen Haushaltsführung. Die Sichtweise des Beklagten verkenne insbesondere auch, dass der Umstand, dass es im Baubereich - gerade bei mehrjährigen Laufzeiten - zu Nachträgen komme, kein Indiz fü r einen Verstoß gegen das Vergaberecht sei, sondern im Bauvergabe- und Bauvertragsrecht so vorgesehen sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der angefochtene Widerrufs- und Erstattungsbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Beklagte hat die Förderung zu Recht um die streitige Summe gekürzt.
Ermächtigungsgrundlage für den streitgegenständlichen Bescheid ist § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG NRW. Hiernach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der - wie hier - eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird (Nr. 1) oder wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat (Nr. 2).
Diese Voraussetzungen sind gegeben.
Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Zuwendungsbescheid Nr. 8 vom 8. November 2012 zum Zuwendungsbescheid Nr. 1 vom 31. Dezember 2005 und den danach ergangenen Bescheiden für den Bewilligungszeitraum 31. Dezember 2005 bis 31. Dezember 2022 eine Zuwendung in Höhe von 1.138.900,00 Euro unter dem Ordnungsmerkmal 2003 08 50 für das Vorhaben "Wegweisungsbeschilderung im Stadtgebiet ###" aus dem Programm "Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden nach den Förderrichtlinien Stadtverkehr - FöRi-Sta - (SMBl. NW. 910) - Kommunaler Straßenbau".
Die Klägerin hat eine Auflage zu diesem Bescheid nicht erfüllt.
Der im Hinblick auf die Fördermaßnahme (teil-)widerrufene Zuwendungsbescheid vom 8. November 2012 ist - ebenso wie die vorhergehenden Zuwendungsbescheide - mit der Auflage der Ziffer 3.1 ANBest-G versehen. Danach sind bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten.
Bei der mit dem Zuwendungsbescheid verbundenen Bestimmung der Ziffer 3 ANBest-G handelt es sich um eine Auflage im Sinne des § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW. Eine Auflage ist gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NRW eine Bestimmung, durch die dem Begünstigten ein Tun, Dulden oder Unterlassen vorgeschrieben wird. Die Auflage ist von bloßen erläuternden Hinweisen auf ohnehin bestehende gesetzliche Verhaltenspflichten abzugrenzen. Auch eine bereits bestehende Pflicht kann jedoch zum Gegenstand einer Auflage gemacht werden, sei es auch nur, um der für die Subventionsvergabe zuständigen Behörde die Reaktionsmöglichkeiten des § 49 VwVfG NRW zu eröffnen.
Im vorliegenden Fall ist der Klägerin die Beachtung der Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen für Projektförderungen an Gemeinden (ANBest-G) und der sich aus ihnen ergebenden weiteren Verhaltensanforderungen als bestandskräftige Auflage des Bewilligungsbescheides auferlegt worden. Denn die ANBest-G sind in den Nebenbestimmungen des Bescheides zu dessen Bestandteil erklärt worden. Nach Ziffer 3 ANBest-G sind bei der Vergabe von Aufträgen zur Erfüllung des Zuwendungszwecks die nach dem Gemeindehaushaltsrecht anzuwendenden Vergabegrundsätze zu beachten. Aus dem Vorwort zur ANBest-G ergibt sich, dass diese "Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) im Sinne des § 36 VwVfG NRW sowie notwendige Erläuterungen" enthalten. Um Auflagen handelt es sich bei den ANBest-G allerdings nur, soweit sie erkennbar Handlungspflichten begründen und nicht lediglich Erläuterungen für die Abwicklung der Mittelvergabe enthalten (vgl. OVG NRW, Urteile vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -, und vom 9. April 1990 - 4 A 2771/88 -; VG Arnsberg, Urteil vom 18. Dezember 2022 - 1 K 1392/01 -).
In diesem Sinne stellt Ziffer 3 ANBest-G eine (echte) Auflage dar, weil sie eine Handlungspflicht begründet. Insoweit handelt es sich bei der Vorschrift nicht um einen bloßen Hinweis auf eine bestehende gesetzliche Rechtslage oder Erläuterungen für die Abwicklung der Mittelvergabe. Die Auflage nimmt damit Bezug auf § 31 Abs. 2 der damals geltenden Gemeindehaushaltsverordnung vom 14. Mai 1995, wonach bei der Vergabe von Aufträgen die Vergabegrundsätze anzuwenden sind, die das Innenministerium bekanntgibt. Diese Vergabegrundsätze sind im Runderlass des Innenministeriums vom 15. Juni 1993 (MBl. NRW 1993 S. 1187) niedergelegt. Dieser bestimmt unter Nr. 2 lit. a, dass als Vergabegrundsätze auch die Teile A und B der Verdingungsordnung für Bauleistungen in der Fassung der Anlagen 1 und 2 des Runderlasses des Ministeriums für Bauen und Wohnen vom 15. März 1993 (VOB) gelten. Indem über Ziffer 3 ANBest-G und die Vergabegrundsätze nach Gemeindehaushaltsrecht die VOB/A zwingend anzuwenden sind, ist die Gemeinde, die eine Zuwendung für ein noch zu vergebendes Projekt empfängt, zugleich verpflichtet, im gesamten Verfahren der Projektvergabe nach den Vorgaben der VOB/A zu handeln. Denn nur dadurch, dass die Vorschriften der VOB/A im konkreten Verfahren auch angewandt werden, werden sie zugleich beachtet. Nach diesen rechtlichen Maßstäben ist die Bestimmung der Beachtung der VOB/A jedenfalls zur Auflage des Zuwendungsbescheides geworden (vgl. OVG NRW, Urteil vom 12. Juni 2007 - 15 A 1243/05 -, VG Arnsberg, Urteil vom 18. Dezember 2022 - 1 K 1392/01 -; VG Gießen, Urteil vom 20. November 1997 - 10 E 1395/95 -).
Ob ein Vergabe- und damit ein Auflagenverstoß im Sinne von § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW in Verbindung mit Ziffer 3.1 ANBest-G gegeben ist, richtet sich dabei nach der im Zeitpunkt der Auftragsvergabe geltenden objektiven Rechtslage. (Gegebenenfalls divergierende) Rechtsmeinungen über diese Rechtslage können sich nicht auf der Tatbestandsebene des Vorliegens eines Widerrufsgrundes, sondern allenfalls auf Ermessensseite bei der Bewertung des Schweregrades des Vergabeverstoßes auswirken (OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2019 - 15 A 2792/18 -; vgl. auch VG Düsseldorf, Urteil vom 20. Oktober 2006 - 1 K 3293/05 -).
Danach hat die Klägerin die hiermit gegebene Auflage, die Bestimmungen der VOB/A in der Ende 2005 bzw. Februar 2006, dem Ausschreibungszeitpunkt, geltenden Fassung zu beachten, unter dem Aspekt des § 9 VOB/A 2002 nicht erfüllt.
§ 9 Nr. 1 VOB/A 2002 schreibt vor, dass die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben ist, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Nach § 9 Nr. 6 VOB/A 2002 soll die Leistung in der Regel durch eine allgemeine Darstellung der Bauaufgabe (Baubeschreibung) und ein in Teilleistungen gegliedertes Leistungsverzeichnis beschrieben werden, sogenannte Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis bzw. konstruktive Leistungsbeschreibung. § 9 Nr. 10 VOB/A 2002 sieht vor, dass die Leistung auch durch ein Leistungsprogramm dargestellt werden kann, wenn es nach Abwägen aller Umstände zweckmäßig ist, abweichend von Nr. 6 zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechte Lösung der Bauaufgabe zu ermitteln, sogenannte Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm bzw. funktionale Leistungsbeschreibung.
I.
Die Leistungsbeschreibung der Klägerin war zu unbestimmt. Sie erfüllte weder die Voraussetzungen einer nur (teil-)funktionalen Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm, § 9 Nr. 10-12 VOB/A 2002) noch die einer konstruktiven Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis, § 9 Nr. 6 VOB/A 2002). Ihr fehlte deswegen sowohl bei der Ausschreibung als auch bei der Vergabe die erforderliche Reife (§ 16 Nr. 1 VOB/A 2002).
1. a) Die Klägerin hat die Leistungen nicht (teil-)funktional ausgeschrieben, wie sie im Nachhinein anführt. Im Gegensatz zu einer konstruktiven Leistungsbeschreibung ist eine funktionale Leistungsbeschreibung dadurch gekennzeichnet, dass nur Rahmenbedingungen für das Ziel zur Beschaffung etablierter Lösungen vorgegeben werden und der Auftraggeber bestimmte Planungsaufgaben, aber auch Risiken, auf den Bieter verlagert. Typischerweise kombiniert die funktionale Leistungsbeschreibung einen Wettbewerb, der eine Konzeptionierung und Planung der Leistung zum Gegenstand hat, mit der Vergabe der Leistung als solcher und unterscheidet sich dadurch vom reinen Wettbewerb um einen klar umrissenen und beschriebenen Auftrag. Dass die Bieter dabei, und zwar unter anderem bei der Konzeptionierung und Planung der Leistung, Aufgaben übernehmen sollen, die an sich dem Auftraggeber obliegen, lässt die funktionale Ausschreibung nicht per se unzulässig werden. Deren Wesen liegt nämlich gerade darin, dass der Auftraggeber im Planungsbereich auf Bieterseite vorhandenes Knowhow abschöpfen will und dies grundsätzlich auch tun darf. Ihrem Wesen entsprechend schließt die funktionale Ausschreibung ebenso wenig aus, dass nicht oder nicht genau kalkulierbare und damit riskante Leistungen ausgeschrieben werden. Denn es gibt keinen Rechtssatz, der Bietern oder Auftragnehmern eine Übernahme riskanter Leistungen verbietet. Dass bei funktionaler Ausschreibung von Planungsleistungen Risiken auf den Auftragnehmer übertragen werden, ist für diese Art der Ausschreibung vielmehr typisch und für die Bieter auch zu erkennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 - Verg 22/13 -, und vom 19. Juni 2013, Verg 7/13 -; VK Niedersachsen, Beschluss vom 7. Oktober 2015 - VgK-31/2015 -).
Gleiches gilt für eine Ausschreibung, die nur teilweise funktionale Elemente enthält. Denn auch bei einer nur teilfunktionalen Ausschreibung überträgt der Auftraggeber wesentliche Planungsaufgaben, insbesondere die Ausführungsplanung des Architekten und/oder des Ingenieurs, ganz oder größtenteils auf den Bieter und übernimmt nur planerische Vorarbeiten wie die Erstellung von Entwürfen selbst. Gegen eine teilfunktionale Ausschreibung bestehen bei verständiger Interpretation des § 9 Nr. 1 und Nr. 6 VOB/A 2002 vergaberechtlich keine Bedenken, weil ein in allen Details ausgearbeitetes Leistungsverzeichnis nach § 9 Nr. 6 VOB/A 2002 zwar den Regelfall der Leistungsbeschreibung darstellt, andere Formen, das heißt funktionale Leistungsmerkmale, jedoch nicht ausgeschlossen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 - Verg 22/13 -, und vom 19. Juni 2013 - Verg 7/13 -; Prieß, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, § 7 Rn. 191; vgl. auch § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB.
Voraussetzung dafür, dass der Auftraggeber eine Leistung teilfunktional beschreibt, mithin den Entwurf selbst erstellt und den Auftragnehmer mit der Ausführungsplanung bis zur schlüsselfertigen Errichtung beauftragt, ist, dass diese Art der Ausschreibung nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2014 - VI-2 Kart 2/13 (V) -; VK Münster, Beschluss vom 17. Juli 2013 - VK 6/13 -; Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Band 2 (3. Aufl. 2019), § 7c VOB/A-EU Rn. 5).
Nach den vorstehenden Maßstäben hat die Klägerin eine konstruktive Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis) und keine teilfunktionale Leistungsbeschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm) verfasst.
Dies steht zunächst im Einklang mit dem in § 9 Nr. 6 und Nr. 10 VOB/A 2002 geregelten Vorrangverhältnis der Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis gegenüber der Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm sowie mit dem vor allem für öffentliche Auftraggeber geltenden Grundsatz, dass die Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis die Regel bilden soll (vgl. Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B (15. Aufl. 2004), § 9 Rn. 86; Nr. 1.3 VHB 2002 zu § 9 VOB/A).
Nichts anderes ergibt sich aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 16. Januar 2025 - Rs. C-424/23. Soweit der EuGH unter Rn. 29 zu Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG klarstellt, dass keine Hierarchie zwischen den in dieser Bestimmung unter lit. a bis d aufgezählten Methoden der Formulierung technischer Spezifikationen bestehe, ist schon fragwürdig, ob sich dies ohne Weiteres auf die hier zur Anwendung gelangende deutsche Rechtslage zum Ausschreibungszeitpunkt - VOB/A 2002 - übertragen lässt. Im Ergebnis mag dies aber dahinstehen, da nach den eingangs erläuterten Maßstäben auch ohne ein etwaiges Vorrangverhältnis vorliegend von einer konstruktiven Leistungsbeschreibung auszugehen ist.
Die Klägerin hat ihrer Ausschreibung eine ausführliche Übersicht, ausdrücklich überschrieben mit "Leistungsverzeichnis" (vgl. Bl. 1374-1456 des Verwaltungsvorgangs), beigefügt sowie in der Anlage "Tiefbau" zu Nr. 6 der Besonderen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen mehrfach explizit auf ihr Leistungsverzeichnis Bezug genommen (vgl. Bl. 1476, 1485 des Verwaltungsvorgangs). Aber auch abgesehen davon, dass die Klägerin selbst von "Leistungsverzeichnis" spricht, sind die inhaltlichen Kriterien einer konstruktiven Leistungsbeschreibung erfüllt. Die Bauaufgabe wurde tatsächlich mittels einer Baubeschreibung beschrieben und Teilleistungen wurden mit Positionen detailliert in einem Leistungsverzeichnis aufgegliedert. Danach war eindeutig beschrieben, welche Schilder inklusive der jeweiligen Aufstellvorrichtung abgebaut und welche Maste inklusive Fundament sodann geliefert und aufgestellt werden sollten. Auch wurde die jeweilige Art detailliert beschrieben, die Schildgröße und Mastlänge angegeben sowie die Stückanzahl benannt. Gegen die Annahme einer teilfunktionalen Ausschreibung spricht darüber hinaus, dass der Vorgang des Entfernens und Aufstellens von Verkehrsschildern keine verschiedenen technischen Systeme oder Lösungsansätze bedingt, sodass die Konzeptionierung ein besonderes Knowhow von Fachfirmen erfordern würde. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin in zulässiger Weise wesentliche Planungsaufgaben auf den Bieter verlagert und hierüber einen Wettbewerb eröffnet hat, was jedoch Voraussetzung für eine (teil-)funktionale Ausschreibung wäre. "Verdeckte" Planungsleistungen, also bewusst ungenau abgefasste Leistungspositionen, genügen den Anforderungen nicht. Der Ausschreibung ging weder eine Beschreibung der Bauaufgabe noch eine Erläuterung, welche Planungsleistung die Klägerin von den Bietern erwartet, voraus. Anders als dies bei einer (teil-)funktionalen Ausschreibung der Fall ist, blieb vorliegend bei einer Gesamtbetrachtung nicht offen, welche Baustoffe und Materialien verwendet werden sollten; so sollte beispielsweise das Fundament aus Beton C25/30 hergestellt werden (vgl. Bl. 1452 des Verwaltungsvorgangs), der Rohrrahmen aus feuerverzinktem Stahl (vgl. Bl. 1453 des Verwaltungsvorgangs), die Gittermastkonstruktion ebenfalls aus feuerverzinktem Stahl (vgl. Bl. 1449 des Verwaltungsvorgangs) und das Verkehrsschild sollte aus Aluminium sein und mit einer retroreflektierenden Folie Typ 3 DIN 67520 versehen werden (vgl. Bl. 1444 des Verwaltungsvorgangs).
Die Klägerin behauptet lediglich, sie habe die Erneuerung der Wegweisungsbeschilderung teilfunktional ausgeschrieben. Sie führt aber keine Gründe für diese Ansicht an. Entgegen allen Erwartungen leitet sie nicht anhand ihrer Ausschreibungsunterlagen ab, wo und warum diese ihre Einordnung als teilfunktionale Leistungsbeschreibung stützen. Solche Gründe hat auch das Gericht nicht feststellen können. Insbesondere lassen sich den Ausschreibungsunterlagen keine bloßen Zielvorgaben entnehmen. Im Gegensatz zu einer Leistungsbeschreibung ist für eine funktionale Ausschreibung aber wesensbestimmend, dass der Auftraggeber nur das erwartete Ergebnis oder die Funktion der Leistung beschreibt, also das "Was"; das "Wie" - die einzelnen Teilleistungen - sind dabei dem Auftragnehmer überlassen.
Angesichts der Beschreibung der Bauleistung seitens der Klägerin und der detaillierten Aufführung der Teilleistungen mit Positionsnummer, Mengeneinheitsangabe, Einheits- und Gesamtpreis in einem Leistungsverzeichnis und mangels Übertragung von wesentlichen Planungsleistungen auf den Auftragnehmer handelt es sich um eine Leistungsbeschreibung mit Leistungsverzeichnis.
b) Selbst wenn man mit der Klägerin eine teilfunktionale Beschreibung annehmen wollte, fehlt es an der von der VOB/A vorgesehenen Abwägung aller Umstände seitens der Klägerin in Form eines dokumentierten Abwägungsprozesses zur Zweckmäßigkeit einer (teil-)funktionalen Leistungsbeschreibung.
Voraussetzung dafür, dass der Auftraggeber eine Leistung teilfunktional beschreibt, mithin den Entwurf selbst erstellt und den Auftragnehmer mit der Ausführungsplanung bis zur schlüsselfertigen Errichtung beauftragt, ist, dass diese Art der Ausschreibung nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2014 - VI-2 Kart 2/13 (V) -; VK Münster, Beschluss vom 17. Juli 2013 - VK 6/13 -; Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Band 2 (3. Aufl. 2019), § 7c VOB/A-EU Rn. 5).
Auch wenn an die Zweckmäßigkeitsgründe keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juni 2017 - Verg 2/17 -; OLG München, Beschluss vom 10. Dezember 2009 - Verg 16/09 -; VK Münster, Beschluss vom 17. Juli 2013 - VK 6/13 -; Zimmermann, jurisPR-VergR 12/2017 Anm. 2), stellt die Wahl einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm einen Ausnahmefall dar, der vom Auftraggeber zu begründen und zu dokumentieren ist (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 7. Oktober 2015 - VgK-31/2015 -; Krohn, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht (3. Aufl. 2021), § 19 Rn. 15; Lampert, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar Band 2 (3. Aufl. 2019), § 7c VOB/A-EU Rn. 22; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B (15. Aufl. 2004), § 9 Rn. 125; Markus, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar Teil A/B (8. Aufl. 2022), § 7c Rn. 38).
Weder den Akten noch dem Vortrag der Klägerin ist zu entnehmen, dass die Klägerin überhaupt Überlegungen darüber angestellt hat, ob die von ihr behauptete (teil-) funktionale Leistungsbeschreibung in Betracht gezogen wurde, geschweige denn eingehende und pflichtgemäße Überlegungen im Sinne des § 9 Nr. 10 VOB/A 2002 angestellt wurden. Ihren Ausschreibungsunterlagen lässt sich nicht ansatzweise eine Dokumentation des Abwägungsprozesses mit Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten entnehmen. Die von der Klägerin in ihrer Klageschrift nachgereichte alleinige Kostenbegründung für die Wahl einer teilfunktionalen Leistungsbeschreibung ist an dieser Stelle weder ausreichend noch zweckmäßig.
2. Da die Ausschreibung keine dem Wettbewerb unterstellten Planungsleistungen enthielt, war sie an den Anforderungen an eine konstruktive Leistungsbeschreibung zu messen, § 9 Nr. 1 und Nr. 6 VOB/A 2002. Danach ist die Leistung eindeutig und so erschöpfend zu beschreiben, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen und ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten berechnen können. Diesen Anforderungen genügte die Leistungsbeschreibung nicht.
Das Gebot der eindeutigen Leistungsbeschreibung betrifft die Art und Weise, wie der Auftraggeber die Leistungsanforderungen äußern muss (vgl. zu der gleichlautenden Vorschrift § 7 VOB/A 2019: von dem Knesebeck, in: BeckOK Vergaberecht (34. Edition, Stand: 1. Februar 2023), § 7 Rn. 1 mit Verweis auf die Kommentierung zu § 7 EU VOB/A Rn. 5).
Eine Leistungsbeschreibung ist eindeutig, wenn aus Sicht eines durchschnittlichen und mit der Art der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters klar ersichtlich ist, welche Leistung der Auftragnehmer zu welcher Zeit, in welchem Umfang und in welcher Qualität zu erbringen hat und welche Anforderungen und Bedingungen an die vom Auftraggeber geforderte Leistung gestellt werden (vgl. BayObOLG, Beschluss vom 1. August 2024 - Verg 19/23 -, m.w.N.).
Das Gebot der erschöpfenden Leistungsbeschreibung zielt auf inhaltliche Vorgaben ab: Der Auftraggeber muss alle Leistungsmerkmale, Bedingungen, Umstände und technischen Anforderungen, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich sind, in der Leistungsbeschreibung vollständig und inhaltlich richtig angeben (vgl. zu der gleichlautenden Vorschrift § 7 VOB/A 2019: von dem Knesebeck, in: BeckOK Vergaberecht (34. Edition, Stand: 1. Februar 2023), § 7 Rn. 1 mit Verweis auf die Kommentierung zu § 7 EU VOB/A Rn. 6).
Eine eindeutige und erschöpfende Beschreibung der Leistung hat sowohl für die Schaffung einer transparenten Wettbewerbsgrundlage bis zum Zuschlag als auch für die Bestimmung des Umfangs der späteren Leistungspflicht des Auftragnehmers grundlegende Bedeutung. Die Beschreibung der Leistung erfordert dabei einen klaren, vollständigen und für jeden in Betracht kommenden fachkundigen Bieter eindeutigen Inhalt. Das bedeutet, dass alle Bewerber die Beschreibung im gleichen Sinne verstehen müssen. Hierfür muss sich der Auftraggeber in den Einzelangaben so klar ausdrücken, dass die fachkundigen Bieter sie objektiv im gleichen Sinne verstehen müssen (vgl. Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B (15. Aufl. 2004), § 9 Rn. 8, 15 f.; vgl. zu der gleichlautenden Vorschrift § 7 VOB/A 2019: Markus, in: Kapellmann/Messerschmidt VOB-Kommentar, Teil A/B (8. Aufl. 2022), § 7 Rn. 16).
Die Bieter sollen ihre Preise sicher und ohne umfangreiche Vorarbeiten ermitteln können, sodass die Vergleichbarkeit der Angebote sichergestellt ist. Auf diese Weise wird gewährleistet, dass der Wettbewerb im Bieterverfahren auf sicheren Grundlagen fußt. Hierfür muss der Auftraggeber im ersten Schritt zunächst alle Umstände feststellen, die die geplante bauliche Anlage beeinflussen. Der Auftraggeber muss sich hinreichend über die Einzelheiten der beabsichtigten Bauerstellung im Klaren sein. Bevor er mit der Ausschreibung beginnt, müssen die ihm grundsätzlich obliegenden planerischen Vorarbeiten abgeschlossen sein. Hierzu zählt insbesondere eine abgeschlossene Ausführungsplanung mit Mengenermittlung; im zweiten Schritt müssen die festgestellten, die Preise beeinflussenden Umstände in der Beschreibung der Leistung angegeben werden (vgl. Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B (15. Aufl. 2004), § 9 Rn. 39, 41).
Des Weiteren muss die Leistung so beschrieben sein, dass der Bieter das von ihm Verlangte nicht nur klar und unmissverständlich sieht, sondern er auch anhand der Leistungsangaben in die Lage versetzt wird, die Preise sowohl im Einzelnen als auch im Ganzen ordnungsgemäß zu kalkulieren. Alle tatsächlichen Umstände, die wesentliche Aspekte für eine sachgerechte, vollständige Kalkulation nach allgemeinen baubetrieblichen und bautechnischen Regeln ergeben, müssen in der Leistungsbeschreibung angegeben sein. Hierzu zählt beispielsweise die Mitteilung der näheren Verhältnisse, wie das Vorhandensein von Versorgungsleitungen und die Beschaffenheit des Baugrundes, wenn diese für die Preisbildung bei dem betreffenden Bauvorhaben von Einfluss sind. Auch ist der Auftraggeber gehalten, für die von ihm genannten Positionen zumindest eine ungefähre, angenäherte Größenordnung der geforderten Leistungen als kalkulationsrelevante Grundlage zu ermitteln und anzugeben (vgl. VK Thüringen, Gerichtsbescheid vom 23. April 2015 - 250-4002-1768/2015-003-J -; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B (15. Aufl. 2004), § 9 Rn. 23 f.).
Dies vorangestellt hat die Klägerin vorliegend aufgrund einer unvollständigen Planungsgrundlage keine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung vorgenommen.
Bei einer Gesamtbetrachtung hat die Klägerin selbst eingeräumt, dass sie ungenau ausgeschrieben hat, indem sie anführt, der Aufwand einer vollständigen Untersuchung aller 600 Standorte vor der Ausschreibung und deren detaillierten Beschreibung hätte in keinerlei Relation zu der erwarteten Ersparnis gestanden. Vor diesem Hintergrund und angesichts dessen, dass der Beklagte zahlreiche Verstöße gegen § 9 Nr. 1 und Nr. 6 VOB/A 2002 festgestellt und die Klägerin im Klageverfahren hierzu wenig vorgetragen hat, konnte sich das Gericht auf eine exemplarische Prüfung beschränken:
Die Klägerin hat selbst konzediert, dass das Bauprojekt einem "selbstverständlich erforderlichen, stetigen Veränderungsprozess" im Zeitraum der Bauausführung unterlag, was bereits einen Rückschluss darauf zulässt, dass sie sich zum Zeitpunkt der Erstellung und Veröffentlichung der Ausschreibung nicht hinreichend genau über den Umfang und die Ausführung der Baumaßnahme im Klaren war. Denn die von der Klägerin für die Anpassung angeführten Umstände sind nicht als unvorhersehbar einzustufen, sondern ihrem Verantwortungsbereich zuzuordnen. So hatte die Klägerin beispielsweise einen direkten Einfluss auf die zukünftige Gestaltung des Straßenraumes und hätte dies bei der Planung der wegweisenden Beschilderung berücksichtigen können.
Auch die Beschreibung der konkreten Leistung an den jeweiligen Standorten der Beschilderung erweist sich als unvollständig. Für die einzelnen Standorte wurden Standortdatenblätter erstellt, die allerdings neben detaillierten Angaben und Maßen zu den eigentlichen Wegweisern nur einen Auszug aus einem Katasterplan im Maßstab 1:1500 mit einer Standortmarkierung und eine Bezeichnung der Kreuzung und der Zufahrt enthielten. Aufgrund des gewählten Maßstabs und der knappen Beschreibung wurde lediglich ein Grobstandort angegeben, aus dem nicht ersichtlich wurde, an welcher Position genau der Wegweiser oder das Verkehrsschild errichtet werden sollte. § 9 Nr. 3 VOB/A 2002 konkretisiert die Anforderungen an eine eindeutige Leistungsbeschreibung dahingehend, dass die für die Ausführung der Leistung wesentlichen Verhältnisse der Baustelle, z.B. Boden- und Wasserverhältnisse, so zu beschreiben sind, dass der Bewerber ihre Auswirkungen auf die bauliche Anlage und die Bauausführung hinreichend beurteilen kann. Vorliegend fehlten indes zu den einzelnen Standorten Angaben über die Beschaffenheit des Untergrundes der Nachbarbebauung bzw. weiterer Zwangspunkte für die Bauausführung.
Auch die jeweiligen genauen Ausführungen der Aufstellvorrichtungen, die aus den bestehenden örtlichen Gegebenheiten resultierten, waren nicht in den Standortdatenblättern angegeben. Soweit die Klägerin hierzu vorträgt, es hätten aufgrund der hohen Zahl der zu erfassenden Orte nicht alle Standorte in Gänze untersucht und dezidiert beschrieben werden können, ist dem entgegenzuhalten, dass die VOB/A hierfür keine Grundlage bietet. Die genaue Erfassung der räumlichen Gegebenheiten sowie sonstiger Zwangspunkte jedes einzelnen Standorts hätte nicht allein aus dem Grund entfallen dürfen, dass es sich um eine hohe Zahl von Standorten handelte. Die Klägerin hätte der hohen Zahl mit entsprechendem personellen Einsatz bzw. einer umfangreicheren Leistung des von ihr beauftragten Ingenieurbüros Rechnung tragen müssen.
Zudem beinhaltete das Leistungsverzeichnis 39 Positionen für Mehr- und Minderlängen von unterschiedlichen Masten mit der Anmerkung, dass die Mehr- und Minderlängen nach dem Erfordernis aus den örtlichen Gegebenheiten berechnet werden sollten (vgl. z.B. Bl. 1415, 1445, 1447 des Verwaltungsvorgangs). Für eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung fordert die VOB/A jedoch, dass die wesentlichen Verhältnisse auf der Baustelle ausreichend genau und vollständig in der Leitungsbeschreibung beschrieben werden. Diesen Mangel der Planung konnte die Klägerin nicht zulässigerweise dadurch ausgleichen, dass sie die Bieter im Anschreiben zu der Ausschreibung aufforderte, zu bestätigen, dass sie sich über die örtlichen Verhältnisse der Baustelle unterrichtet haben. Die Forderung nach Ortskenntnis kann (nicht-ortsansässige) Bieter diskriminieren und damit gegen vergaberechtliche Grundsätze verstoßen, vgl. § 97 Abs. 2 GWB; § 2 Nr. 2, § 8 Nr. 1 VOB/A 2002. Ein objektives Gleichverständnis der Leistungsbeschreibung und dadurch der abgegebenen Angebote war mithin auch hier nicht gegeben.
Die im Zuge der Erstellung der Ausschreibungsunterlagen nicht erfolgte detaillierte Festlegung der Einzelstandorte unter der Berücksichtigung aller örtlichen Umstände hatte nach der - von der Klägerin unwidersprochen gebliebenen - Auffassung des Beklagten zur Folge, dass durch räumliche Gegebenheiten, Hindernisse im Baugrund oder Einwände von Anwohnern die geplanten Aufstellorte vielfach nicht realisierbar waren. Durch die mangelhafte Festlegung von geeigneten Standorten vor Ort änderten sich häufig auch die Anzahl und der Aufbau der Wegweiser. Diese Änderungen wurden über geeignete, bestehende Positionen im Leistungsverzeichnis abgerechnet, was unter anderem zu entsprechenden Verschiebungen in den Ausführungsmengen führte und eine Abweichung in Höhe von rund 79 % verursachte.
Die Abweichungen der abgerechneten Leistungen von den ausgeschriebenen Leistungen lassen insgesamt die Schlussfolgerung zu, dass das der Ausschreibung zugrunde gelegte Leistungsverzeichnis unvollständig und ungenau war. Zahlreiche Positionen weichen um mehr als 10 % von den ausgeschriebenen Vordersätzen ab bzw. wurden nicht ausgeführt, darüber hinaus wurden etliche Nachträge vergeben: Von 233 ausgeschriebenen Positionen (Anteil der Leistungen von Straßen NRW separiert, da keine zuwendungsfähigen Ausgaben) wichen rund 79 % der Positionen bei der Gegenüberstellung von ausgeschriebener Menge zu abgerechneter Menge um mehr als 10 % ab. Bei einer absoluten finanziellen Abweichung in Höhe von 223.361,00 Euro ergibt sich eine relative finanzielle Abweichung von rund 28 %. Die Nachträge für zusätzliche Leistungen umfassen 53 Positionen und wurden in Höhe von 80.411,38 Euro abgerechnet.
Zwar kommen Nachträge in einem gewissen Umfang üblicherweise vor und können auch bei kleineren, punktuellen Baumaßnahmen kaum gänzlich vermieden werden, doch hier wurden teilweise Nachträge gebildet, die bei sorgfältiger Planung im Vorhinein hätten vermieden werden können. Beispielsweise mussten zusätzlich 620 unbeleuchtete Schilder demontiert werden (Position 04.01.01080.N) und 13 Nachtragspositionen beinhalten die Demontage von 1.059 unterschiedlich großen Masten, Schildern und Verkehrszeichen; hier ist nicht nachvollziehbar, wieso die Klägerin das Vorhandensein einer so hohen Anzahl an Masten, Schildern und Verkehrszeichen, die für jedermann in der Örtlichkeit erkennbar waren, nicht vor der Ausschreibung feststellen konnte.
Die Abweichung zwischen den tatsächlich abgerechneten Mengen und den ausgeschriebenen Mengen ist bei der Ausschreibung nicht unerheblich: Es handelt sich hier im Wesentlichen um Mengenabweichungen der beauftragten Leistungen, sodass für diese ausgeschriebenen und ausgeführten Leistungen vom Bieter gegebenenfalls ein abweichender Einheitspreis kalkuliert worden wäre. Die Bedeutung für die kalkulatorische Berechnung zeigt sich daran, dass bei Mengenüber- bzw. Mengenunterschreitungen von mehr als 10 % nach § 2 Nr. 3 Abs. 2, 3 VOB/B 2002 neue Einheitspreise verlangt werden können. Außerdem steht dem Unternehmer im Fall von nicht auszuführenden Leistungen grundsätzlich Entschädigung gemäß § 8 Nr. 1 VOB/B 2002 zu. Angesichts dessen muss davon ausgegangen werden, dass die Bieter in Kenntnis des tatsächlichen Leistungsumfangs ihre Einheitspreise anders kalkuliert hätten, wodurch es möglicherweise zu einem anderen Ausschreibungsergebnis gekommen wäre.
Die Ungenauigkeit der ausgeschriebenen Leistungsbeschreibung kann die Klägerin auch nicht durch ihren Hinweis in den Vormerkungen des Leistungsverzeichnisses auf mögliche Verschiebungen in den Mengenansätzen infolge von Projekt- und Bestandsänderungen ausgleichen. Diese nicht eindeutige Aussage hatte zur Konsequenz, dass jeder Bieter selbst einschätzen musste, inwieweit Mengenänderungen wirklich eintreten könnten, wie sie sich auf die Preisbildung auswirken könnten und ob Risikozuschläge einkalkuliert werden müssen. Die einzelnen Bieter konnten somit die Beschreibung der Leistung objektiv nicht gleich verstehen, was dazu führte, dass auch ihre Angebote nicht vergleichbar waren.
Allein aus dem von der Klägerin angeführten Umstand, es habe keine Beschwerden oder Rügen seitens der Wettbewerbsteilnehmer gegeben, lässt sich nicht der Rückschluss ziehen, die Leistungsbeschreibung sei eindeutig und erschöpfend gewesen; maßgeblich ist vielmehr, ob objektiv ein Verstoß gegen vergaberechtliche und wettbewerbsrechtliche Grundsätze gegeben ist, was hier - wie zuvor erläutert - der Fall ist.
II.
Entgegen der Auffassung der Klägerin hat der Beklagte die Widerrufsfrist des § 49 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG NRW gewahrt.
Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche den Widerruf rechtfertigen, so ist der Widerruf danach nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Bei der Jahresfrist handelt es sich nicht um eine Bearbeitungs-, sondern um eine Entscheidungsfrist. Der zuständigen Behörde wird ein Jahr Zeit eingeräumt, um die Entscheidung über die Rücknahme bzw. den Widerruf des Verwaltungsakts zu treffen. Daraus folgt, dass die Frist erst bei vollständiger behördlicher Kenntnis der für die Entscheidung maßgebenden Sach- und Rechtslage zu laufen beginnt. Erst wenn die Behörde auf der Grundlage aller entscheidungserheblichen Tatsachen den zutreffenden rechtlichen Schluss gezogen hat, dass ihr die Aufhebungsbefugnis zusteht, muss sie innerhalb eines Jahres entscheiden, ob sie davon Gebrauch macht. Sie muss zu der Erkenntnis gelangt sein, dass die weiteren Voraussetzungen des § 48 VwVfG NRW oder des § 49 VwVfG NRW zweifelsfrei gegeben sind. Dies ist anzunehmen, wenn die Behörde ohne weitere Sachaufklärung imstande ist, diese gesetzlichen Voraussetzungen zutreffend zu beurteilen, und daraus die richtigen Schlüsse zieht (vgl. BVerwG, Urteile vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 -, vom 28. Juni 2012 - 2 C 13.11 -, vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, und vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 -; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2019 - 15 A 2792/18 -, vom 9. Oktober 2018 - 4 A 2093/16 -, und vom 29. Mai 2017 - 4 A 516/15 -).
Daraus folgt, dass jede Form der Nichtkenntnisnahme entscheidungserheblicher Umstände den Fristlauf hindert, weil es im Rahmen des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW auf ein "(qualifiziertes) Kennenmüssen" der die Rücknahme bzw. den Widerruf rechtfertigenden Gründe nicht ankommt (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 29. August 2014 - 4 B 1.14 -, und vom 12. September 1997 - 3 B 66.97 -; OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2019 - 15 A 2792/18 -).
Zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW erst beginnen kann, gehört regelmäßig das Anhörungsverfahren, und zwar unabhängig von dessen Ergebnis. Denn die Einwände des Anzuhörenden können nur dann ernstlich zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen werden, wenn sich die Behörde ihre Entscheidung bis zum Abschluss des Anhörungsverfahrens offenhält. Dies gilt auch und gerade, wenn es sich bei der zu treffenden Entscheidung um eine Ermessensentscheidung handelt, bei der zudem die für die Ermessensbetätigung maßgeblichen Umstände auch in der Sphäre des anzuhörenden Betroffenen liegen. Unterlässt die Behörde die Anhörung, so läuft die Frist nicht. Verzögert sie sie, so läuft die Frist gleichwohl nicht früher (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 -, Beschluss vom 4. Dezember 2008 - 2 B 60.08 -, Urteile vom 20. September 2001 - 7 C 6.01 -, und vom 24. Januar 2001 - 8 C 8.00 -, Beschluss vom 7. November 2000 - 8 B 137.00 -; OVG NRW, Beschlüsse vom 15. August 2019 - 15 A 2792/18 -, und vom 29. Mai 2017 - 4 A 516/15 -, Urteil vom 20. April 2012 - 4 A 2005/10 -).
Ist die Sache allerdings bei Anlegung eines objektiven Maßstabs zur Entscheidung reif, so beginnt die Jahresfrist auch dann zu laufen, wenn die Behörde weitere Schritte zur Sachaufklärung unternimmt, die objektiv nicht mehr erforderlich sind. So liegt es insbesondere, wenn das Ermessen der Behörde auf Null reduziert oder doch im Sinne eines intendierten Ermessens regelhaft gebunden ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Januar 2019 - 10 C 5.17 -; OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2019 - 15 A 2792/18 -).
Bei der Aufhebung öffentlicher Zuwendungsbescheide ist das Widerrufsermessen regelmäßig intendiert. Dies folgt aus den haushaltsrechtlichen Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und der Sparsamkeit. Liegt ein vom Regelfall abweichender Sachverhalt nicht vor, versteht sich das Ergebnis von selbst und bedarf keiner das Selbstverständliche darstellenden Begründung (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. Juni 2002 - 8 C 30.01 -, und vom 16. Juni 1997 - 3 C 22.96 -; OVG NRW, Beschluss vom 9. Dezember 2015 - 15 A 121/15 -, Urteile vom 20. April 2012 - 4 A 1055/09 -, und vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -).
Damit ist indes nicht gesagt, dass in diesen Fallkonstellationen jede weitere Sachaufklärung entbehrlich und die Entscheidungsreife eingetreten ist, sobald die Behörde die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen Widerruf festgestellt hat. Denn auch bei einem intendierten Ermessen ist zu verlangen, dass die Behörde den ihr verbleibenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der Widerruf des Zuwendungsbescheids in Betracht kommt. Diesem Erfordernis wird die Behörde grundsätzlich nur dann gerecht werden können, wenn dem beabsichtigten Widerruf eine ordnungsgemäße Anhörung vorangeht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. August 2019 - 15 A 2792/18 -).
Gemessen an diesen Maßstäben ist der streitgegenständliche Widerrufsbescheid vom 30. Juni 2021 innerhalb der Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG NRW ergangen. Für deren Beginn war der Abschluss des Anhörungsverfahrens maßgeblich. Der Beklagte hat die Klägerin zu dem beabsichtigten Widerruf mit Schreiben vom 17. Juni 2020 angehört. Mit Schreiben vom 31. August 2020 machte die Klägerin von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme Gebrauch, sodass zu diesem Zeitpunkt das Anhörungsverfahren abgeschlossen war. Anhaltspunkte für einen (Ausnahme-) Fall der Entscheidungsreife vor Abschluss des Anhörungsverfahrens sind nicht ersichtlich. Insbesondere wirkt sich vorliegend nicht aus, dass die Klägerin in ihrem Anhörungsschreiben lediglich Rechtsansichten, nicht aber neue tatsächliche Umstände, mitteilte. Denn zur Herstellung der Entscheidungsreife, nach deren Eintritt die Entscheidungsfrist erst beginnen kann, gehört - wie bereits dargestellt - das Anhörungsverfahren unabhängig von dessen Ergebnis. Die Behörde kann vor Abschluss des Anhörungsverfahrens nicht wissen, ob und wie der Anzuhörende von dem ihm eingeräumten Instrument zur Geltendmachung seiner Rechte Gebrauch macht. Die Stellungnahmefrist kann auch völlig ungenutzt verstrichen werden lassen, woraus indes ein weiterer Erkenntnisgewinn für die Anhörungsbehörde folgt, namentlich, dass der Anzuhörende offenbar dem Sachverhalt nichts mehr hinzufügen möchte. Ebenso wenig wurde die Jahresfrist durch die Stellungnahme der Klägerin zum Anhörungsschreiben des Beklagten vom 24. Juli 2018 in Gang gesetzt, da das Anhörungsschreiben vom 18. Juni 2018 explizit den Aspekt der Ausschreibungsgenauigkeit ausließ, da insofern zunächst eine Stellungnahme des Verkehrsministeriums NRW abgewartet werden sollte.
Auch der Umstand, dass das Widerrufsermessen im öffentlichen Zuwendungsrecht mit Blick auf die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall intendiert ist, führt nach Lage der Dinge nicht zum vorzeitigen Eintritt der Entscheidungsreife nebst Ingangsetzung der Jahresfrist. Bevor der Beklagte die Klägerin nicht in den förmlichen, ausdrücklich als solchen gekennzeichneten Anhörungsschreiben mit der konkreten Erstattungsforderung konfrontiert hatte, war seine Entscheidungsgrundlage noch nicht vollständig. Dies erfasst die Frage der Berechtigung der einzelnen, in diversen Prüfungsmitteilungen verkörperten Widerrufsgründe ebenso wie die damit - auf Rechtsfolgenseite - verknüpfte Klärung, in welcher Höhe die Rückforderung letzten Endes gerechtfertigt ist.
III.
Von der damit gegebenen Widerrufsmöglichkeit des § 49 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwVfG NRW hat der Beklagte rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Insbesondere sind keine Ermessensfehler gegeben. Die Ausübung des in § 49 Abs. 3 Satz 1 VwVfG eingeräumten Ermessens war vorliegend nicht entbehrlich. Zwar zwingen - wie eingangs erläutert - die haushaltsrechtlichen Gründe der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit bei Vorliegen von Widerrufsgründen im Regelfall zum Widerruf einer Zuwendung, sofern nicht außergewöhnliche Umstände des Einzelfalls eine andere Entscheidung möglich erscheinen lassen. Fehlt es an derartigen Umständen, so bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Ermessenserwägungen. In Fällen der vorliegenden Art ist jedoch zu bedenken, dass ein Widerruf auch länger zurückliegende Zeiträume erfassen und damit entsprechend höhere Zahlungspflichten auslösen kann. Deshalb kann der Widerruf - etwa bei Pflichtverletzungen von geringem Gewicht oder im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation des Zuwendungsempfängers - aus Gründen der Verhältnismäßigkeit auf bestimmte Zeiträume oder in anderer Weise zu beschränken sein (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 3 C 22.02 -; OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -).
Dieser Vorgabe trägt der Runderlass des Finanzministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2003 - I 1 - 0044 - 3/8 - Rechnung, der ermessensbindenden Charakter hat und deshalb bei der Prüfung, ob die Behörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat, zu berücksichtigen ist (vgl. OVG NRW, Urteil vom 22. Februar 2005 - 15 A 1065/04 -, und Beschluss vom 11. Dezember 2000 - 4 A 5182/99 -, n.v.).
Nach diesem Erlass, den der Beklagte seiner Ermessensausübung zutreffend zugrunde gelegt hat, ist ein Widerruf des Zuwendungsbescheides grundsätzlich bei Vorliegen eines schweren Verstoßes gegen die VOB angezeigt (vgl. Ziffer 2 des Erlasses). Ein derartiger Verstoß liegt nach Ziffer 3.2 des Erlasses vor bei fehlender eindeutiger und erschöpfender Leistungsbeschreibung. Die Bewertung eines derartigen Verstoßes gegen die Bestimmungen der VOB als schwer ist nicht zu beanstanden, weil eine eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung, die sowohl für die Schaffung einer transparenten Wettbewerbsgrundlage bis zum Zuschlag als auch für die Bestimmung des Umfangs der späteren Leistungspflicht des Auftragnehmers von grundlegender Bedeutung ist, zu den Grundsätzen des Vergaberechts zählt. Vom Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist der Beklagte nach den vorstehenden Ausführungen zutreffend ausgegangen.
Entgegen der Auffassung der Klägerin liegen keine Umstände vor, die den von ihr begangenen konkreten Rechtsverstoß ausnahmsweise nicht als schwer erscheinen lassen könnten. Die Ermessensausübung des Beklagten ist auch hinsichtlich des Umfangs des Widerrufs nicht zu beanstanden. Insbesondere hat er mildernde Umstände berücksichtigt, die ihn letztlich dazu bewogen haben, lediglich 30 % der gewährten Zuwendung zurückzufordern.
So hat der Beklagte im Rahmen der ihm eröffneten Ermessensausübung berücksichtigt, dass es im Kontext der Bauausführung durchaus zu Veränderungen kommen kann, welche Nachtragsleistungen zur Folge haben, sodass solche in einem gewissen Umfang zu tolerieren sind. Auch hat er in seine Ermessenserwägungen einbezogen, dass die zu erbringende Leistung vorliegend das gesamte Stadtgebiet der Klägerin betraf und sich über zahlreiche Standorte erstreckte. Dass der Beklagte dies für planerisch anders zu bewerten hält als eine einzelne, konkrete Baumaßnahme, die sich auf einen bestimmten, überschaubaren Streckenabschnitt bezieht, ist nicht zu beanstanden. Weiterhin hat er mildernd berücksichtigt, dass die Art der Leistung bei der Beurteilung der Mengenabweichung zu betrachten ist: Wenn nur geringe Stückzahlen im Leistungsverzeichnis abgefragt werden, führt eine geringe Stückzahlabweichung schnell zu einer erheblichen Mengenabweichung. Somit hat die Mengenabweichung im vorliegenden Fall ein geringeres Gewicht, als dies bei Straßenbauarbeiten der Fall wäre. Den Massen im Leistungsverzeichnis im Vergleich zu der Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Beschreibung der Einzelleistungen kann nach der in der VOB/B vorgesehenen Ausgleichsregelung in § 3 Nr. 3 VOB/B daher nur eine untergeordnete Rolle zugewiesen werden.
Ermächtigungsgrundlage für die Erstattungsaufforderung in Höhe von 253.497,17 Euro ist § 49a Abs. 1 Satz 1 VwVfG NRW. Nach dieser Bestimmung sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt - wie hier - mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen worden ist. Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Für den Umfang der Erstattung - mit Ausnahme der Verzinsung - gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung entsprechend. Danach hat die Klägerin dem Beklagten den ausgezahlten Zuwendungsbetrag im Umfang des Teilwiderrufs und mithin in der geforderten Höhe zu erstatten (§ 818 Abs. 2 BGB).
Der von dem Beklagten unter Ziffer 3. des angefochtenen Bescheides geltend gemachte Zinsanspruch rechtfertigt sich nach § 49a Abs. 3 VwVfG NRW.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
Beschluss
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 253.497,17 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 GKG. Der festgesetzte Wert entspricht der beantragten Geldleistung.
(...)
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