OLG Düsseldorf
Beschluss
vom 26.01.2022
Verg 30/21
1. Nur wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit erfordern ein neues Vergabeverfahren.
2. Eine Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens ist jedenfalls dann zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags, der Wert der Änderungen die jeweiligen Schwellenwerte nicht übersteigt und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswerts beträgt.
3. Die Auftragsänderung darf auch nicht zu einer Veränderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen. Eine Veränderung des Gesamtcharakters liegt vor, wenn die zu beschaffenden Bauleistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert.
vorhergehend:
OLG Düsseldorf, 02.06.2021 - Verg 30/21
VK Bund, 06.05.2021 - VK 2-29/21
Tenor:
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 6. Mai 2021 (VK 2-29/21) wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis 440.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 21. Dezember 2020 im offenen Verfahren Sicherungsmaßnahmen für Gleisbauarbeiten im Bereich zwischen L. und E. für die Zeit vom 27. März 2021 bis zum 24. Juni 2022 EU-weit aus (Referenznummer der Bekanntmachung:
). Einziges Zuschlagskriterium war der Preis (Ziff. II.2.5. der Bekanntmachung).
Das Leistungsverzeichnis enthielt bezüglich der das weiterbefahrene Betriebsgleis betreffenden Gruppe 02 "Bauaffine Dienstleistungen" unter Position 02.01.0010 die Anforderung 7.000 Stück "Schutzhaltsignal (Sh2) auf- und abbauen", unter Position 02.01.0190 500 Stück "Langsamfahrsignale (Satz) außer/in Betrieb setzen" sowie unter Position 02.01.0195 3.000 Stück "Langsamfahrsignal (zus. Lf1, Lf1 Wiederholer, Lf2 oder Lf3) außer/in Betrieb setzen. Nach Anlage 8 der Vergabeunterlagen, "Vorbemerkungen mit allgemeinen und technischen Angaben", Punkt 6, waren die Langsamfahrstellen "innerhalb von 20 Minuten nach Sperrung des Gleises sicherzustellen", wobei sich die Aufstellorte der LF-Signale nicht in direkter Nähe der Einsatzstellen befinden und die Fahrwege und -zeiten in den Einheitspreisen zu berücksichtigen waren.
Auf die hierauf bezogene Bieterfrage 5, welche Sicherungsmaßnahme für die Inbetriebnahmearbeiten der Langsamfahrsignale am weiterbefahrenen Betriebsgleis durch die für den Bahnbetrieb zuständige Stelle (BzS) vorgesehen sei und welche Sicherungsmaßnahme dementsprechend zu kalkulieren sei, antwortete die Antragsgegnerin, die Sicherungsmaßnahme werde nach Einreichung durch das Sicherungsunternehmen bei der BzS durch die selbige festgelegt. Es handele sich um eine Einzelfallentscheidung der BzS auf Grund der Einreichung, weshalb hierzu im Voraus keine endgültige Aussage getroffen werden könne. Es werde jedoch aktuell davon ausgegangen, dass mit UV-Sperrungen (Sperrung aus Unfallverhütungsgründen) zu sichern sei. Auf die diesbezügliche Nachfrage, Bieterfrage 7, ob als Alternative zu UV-Sperrungen und den damit verbundenen betrieblichen Einflüssen Einsätze von ATW-Systemen zur Inbetriebnahme der Lf-Signale vorgesehen und damit eine ATWS-Sicherung (Automatic Track Warning Systems = Automatische Warnsysteme) an jedem Signalstandort zur Sicherung der Inbetriebnahme zu kalkulieren sei, erklärte die Antragsgegnerin, die Kalkulation der Nebenleistung obliege dem Auftragnehmer, es seien UV-Sperrungen vorgesehen.
Die Antragstellerin, die sich wegen des von ihr zur Umstellung der Vielzahl von Signalen an weit auseinanderliegenden Einsatzorten angenommenen Personalbedarfs als Bietergemeinschaft von fünf Unternehmen zusammengefunden hatte, gab fristgerecht ein Angebot ab. Dabei hatte sie für die Position 02.01.0010, 02.01.0190 und 02.01.0195 zusammen circa 1,6 Millionen Euro angesetzt, weshalb auf diese über 20 Prozent ihres Angebotspreisen entfielen. Unter anderem hatte sie auch den Einsatz einer ATWS-Sicherung kalkuliert, nachdem ihre vertretungsberechtigte Gesellschafterin es im Rahmen des seinerzeit laufenden Sicherungsauftrags erlebt hatte, dass die erforderlichen Sperrpausen von der Antragsgegnerin nicht beigestellt werden konnten, woraufhin die Sicherung doch mittels eines automatischen Warnsystems erfolgen musste. Die Antragsgegnerin informierte die Antragstellerin, dass eine Beauftragung der Beigeladenen als preislich günstigste Bieterin beabsichtigt sei. Rügen innerhalb der Wartefrist wurden nicht erhoben, der Zuschlag erfolgte am 5. Februar 2021 an die Beigeladene.
Nach Zuschlagserteilung erfuhr die Antragstellerin von Änderungen an der Auftragsdurchführung. Der am 12. Januar 2021 erstellte und am 26. Januar 2021 geprüfte Formbogen zur Planung der vorübergehenden Langsamfahrstellen auf dem weiterbefahrenen Betriebsgleis war am 26. Februar 2021 geändert worden. Danach sollten die Langsamfahrstellen nicht mehr vom 9. April 2021 bis zunächst zum 21. Mai 2021 täglich lediglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages, sondern vom 9. April 2021 bis zum 9. April 2022 durchgehend bestehen (Anlage ASt 5). Am 4. März 2021 erfolgte eine nochmalige Abänderung, der Formbogen sah nunmehr durchgehende Langsamfahrstellen vom 4. Juni 2021, 21.05 Uhr, bis zum 2. Juli 2021, 04.55 Uhr, vor.
Nach erfolgloser Rüge vom 9. März 2021, das Angebot der Beigeladenen hätte vor Bezuschlagung im Hinblick auf Auskömmlichkeit und Gewährleistung des Mindestlohns aufgeklärt werden müssen, hat die Antragstellerin am 12. März 2021 einen Nachprüfungsantrag gestellt. Zu dessen Begründung führte sie aus, dass entweder vor Zuschlagserteilung der Auftrag ohne die erforderliche Transparenz für alle Bieter wesentlich geändert und so letztlich ohne entsprechende Bekanntmachung vergeben worden sei, oder der Auftrag nach Zuschlagserteilung wesentlich geändert worden und deshalb ein erneutes Vergabeverfahren erforderlich gewesen sei. Während die nahezu täglich In- beziehungsweise Außerbetriebsetzung einer Vielzahl von Signalen an teilweise weit auseinander liegenden Standorten in einem Korridor von nur 20 Minuten einen außergewöhnlichen Personalaufwand erfordere, da nahezu an jedem Signalstandort Personal vorgehalten werden müsse, sei dies bei der nunmehr vorgesehenen durchgehenden Sperrung nicht mehr erforderlich. Den nach der Ausschreibung erforderlichen Personalaufwand habe die Beigeladene im Gegensatz zur ihr nicht entsprechend kalkuliert, weshalb ihr Angebot auf Auskömmlichkeit hätte geprüft werden müssen. Durch die Änderung ändere sich der Charakter des Auftrags, da diese mehr als 10 Prozent des Gesamtwerts ausmache; auch hätte der nunmehr wesentlich geringere Personalaufwand die Beteiligung weiter Bieter ermöglicht.
Die Antragstellerin hat beantragt,
1. die Unwirksamkeit des Vertrags festzustellen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, ein erneutes förmliches Vergabeverfahren einzuleiten; hilfsweise, festzustellen, dass die Zuschlagserteilung vergaberechtswidrig erfolgte;
2. der Antragstellerin Einsicht in die Vergabeakten zu gewähren;
3. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären;
4. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und hilfsweise die Beigeladene, die den Nachprüfungsantrag vorrangig bereits für unzulässig erachtet, haben beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
2. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen für notwendig zu erklären;
3. die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin und der Beigeladenen der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin hat vorgetragen, sie habe hinsichtlich der beabsichtigten UV-Sperrung nach einer einwöchige Testphase vom 1. bis 8. Februar 2021 feststellen müssen, dass kein positiver Effekt auf die erforderliche Dauer beim Einrichten der Langsamfahrstelle erzielt werde und zudem eine erhebliche Mehrbelastung der Fahrdienstleister entstehe, die auf Dauer nicht tragbar sei. Im Rahmen einer den seinerzeit noch laufenden, zeitlich vorgelagerten Sicherungsauftrag betreffenden Baubesprechung am 8. Februar 2021, an der auch das für die Antragstellerin vertretungsberechtigte Mitgliedsunternehmen als damalige Auftragnehmerin teilgenommen habe, sei erstmals der Vorschlag diskutiert worden, eine Prüfung vorzunehmen, ob die Langsamfahrstelle nicht durchgehend eingerichtet werden könne. Ihre interne Abstimmung habe bis zum 2. März 2021 gedauert. Am 4. März 2021 habe der Leitstellen-Anlagenverantwortliche die Zustimmung zu durchgehenden Langsamfahrstellen erteilt, allerdings nicht zu der am 26. Februar 2021 erfolgten Änderung in durchgehende Langsamfahrstellen über 365 Tage, sondern nur vom 4. Juni 2021, 21.05 Uhr, bis zum 2. Juli 2021, 04.55 Uhr. Die Auswirkungen auf den am 5. Februar 2021 geschlossenen Vertrag beschränkten sich auf die Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195. Es entfielen zwischen 75 und 90 Prozent der Sperrpausen. Ausgehend von einem maximalen Entfallen der Leistungen der beiden genannten Positionen in Höhe von 90 Prozent bedeute dies auf Grundlage des mit der Beigeladenen geschlossenen Vertrags eine Reduzierung des Angebotspreises um eine niedrige einstellige Prozentzahl. Die Leistungen der Position 02.01.0010 seien von den Änderungen nicht betroffen.
Die Beigeladene erachtet den Nachprüfungsantrag wegen des erfolgten Zuschlags bereits für unzulässig, eine Änderung i. S. des § 132 Abs. 1 GWB liege nicht vor.
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 6. Mai 2021 zurückgewiesen. Der Antrag sei zwar zulässig. Weder bei der von der Antragstellerin beanstandeten Vergabe ohne entsprechende Bekanntmachung noch bei der alternativ von ihr angenommen erheblichen Änderung nach Zuschlag bedürfe es einer Rüge. Er sei jedoch unbegründet. Den auf die Kalkulation der Beigeladenen gerichteten Beanstandungen stehe bereits die Erteilung des Zuschlags entgegen. Dass die Änderung des Leistungsumfangs erst nach dem Zuschlag am 5. Februar 2021 erfolgt sei, sei im Laufe des Verfahrens unstreitig gestellt worden. Soweit die Antragstellerin diese Änderung als wesentliche moniere, greife ihre Beanstandung nicht durch. Bei der Ermittlung der prozentualen Abweichung sei vom Angebot der Beigeladenen auszugehen, nach dem diese gering sei. Dies gelte im Übrigen auch für das Angebot des zweitplatzierten Bieters. Hingegen habe die Antragstellerin - entgegen der Antworten auf die Bieterfragen 5 und 7 - mit einer ATWS-Sicherung kalkuliert. Zudem hätte deren Angebot im Übrigen selbst bei einem vollständigen Entfallen der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 nicht den Zuschlag erhalten. Auch der potenzielle Bieterkreis habe sich nicht verändert.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin fristgerecht sofortige Beschwerde eingelegt. Nach der Ausschreibung hätten beinahe täglich eine Vielzahl von Signalen an weit auseinanderliegenden Standorten fast zeitgleich außer Betrieb genommen beziehungsweise in Betrieb gesetzt werden müssen. Dies erfordere eine extrem hohe Personaldecke, weshalb sie sich als Bietergemeinschaft um den Auftrag beworben habe. Erforderlich sei eine Arbeitskraft je Signalstandort und zudem eine Sicherung mittels ATWS, da sich 2020 die Unmöglichkeit der Gewährung pünktlicher UV-Sperrungen gezeigt habe. Die Beigeladene habe dies hingegen bei ihrer Kalkulation schlicht nicht berücksichtigt; entweder habe sie es nicht verstanden oder es liege eine unzulässige Mischkalkulation vor. Gleichwohl sei die gebotene Prüfung auf Auskömmlichkeit unterblieben. Hinsichtlich der Prüfung unlauterer Wettbewerbshandlungen stehe der Vergabestelle kein Ermessen zu. Durch die Änderung reduziere sich der zur Erbringung der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erforderliche Personalbedarf erheblich und zwar um 90 Prozent. Es stelle sich die Frage, warum eine solch gravierende, für den Bieter kostensparende Maßnahme erst nach Zuschlagserteilung erfolgt sei. Diese stelle eine unzulässige nachträgliche Änderung i.S. von § 132 GWB dar, da sich der Charakter des Auftrags geändert habe und der Wert der Änderung mehr als 10 Prozent des ursprünglichen Auftragswerts betrage. Wegen des Wegfalls des personellen Spitzenbedarfs hätten sich andere Bieter beteiligen können, darunter auch die ihrer Bietergemeinschaft angehörenden. Das unauskömmliche und zu Unrecht nicht ausgeschlossene, grob wettbewerbswidrige Angebot der Beigeladenen könne nicht Maßstab für den Grad der Änderung sein.
Die Antragstellerin beantragt,
1. die Entscheidung der Vergabekammer des Bundes vom 6. Mai 2021, VK 2-33/21 aufzuheben;
2. die Unwirksamkeit des Vertrages festzustellen und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, ein erneutes förmliches Vergabeverfahren einzuleiten;
3. hilfsweise, die Vergabekammer zu verpflichten, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des angerufenen Gerichts über die Sache erneut zu entscheiden;
4. die Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten durch die Beschwerdeführerin für notwendig zu erklären;
5. der Beschwerdegegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene beantragen,
1. die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 6. Mai 2021 (VK 2-33/21) zurückzuweisen;
2. die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB der Antragstellerin aufzuerlegen.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene verteidigen die Entscheidung der Vergabekammer. Die Antragsgegnerin trägt vor, eine wesentliche Änderung sei nicht gegeben. Schon bei Betrachtung des Angebots der Antragstellerin sei zu berücksichtigen, dass die von ihr zur Begründung eines Anteils am Gesamtauftrag von einem Fünftel mit herangezogene Position 02.01.0010 gar nicht betroffen sei, auf die allein 700.000,00 Euro entfielen. Hinsichtlich der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 habe die Antragstellerin zudem entgegen den Vorgaben ein automatisches Warnsystem (ATWS) einkalkuliert. Hätte sie korrekt mit UV-Sperrungen kalkuliert, wäre jeweils nur ein Signalmonteur erforderlich, die Spiegelstriche zwei bis sechs ihrer in der Beschwerdeschrift dargelegten Kalkulation entfielen.
Der Senat hat den Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 2. Juni 2021 als unzulässig verworfen. Nach Erteilung des Zuschlags sei für die von § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB beabsichtigte Aufrechterhaltung des Zuschlagsverbots kein Raum mehr.
Mit Schriftsatz vom 14. Dezember 2021 hat die Antragstellerin den zuvor unstreitigen und von ihr selbst noch in der Beschwerdebegründung (dort Seite 10 unten, Bl. 10 GA.) vertretenen Vertragsschluss mit der Beigeladenen am 5. Februar 2021 in Zweifel gezogen. Dass die mit Datum vom 26. Februar 2021 erfolgte Änderung von täglich lediglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages bestehenden Langsamfahrstellen in vom 9. April 2021 bis zum 9. April 2022 durchgehend bestehende erst nach dem Zuschlag erfolgt sei, sei keinesfalls unstreitig. Davon, dass für täglich lediglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages bestehenden Langsamfahrstellen zusätzliches Personal benötigt werde und sie dies als einzige kalkuliert habe, während die übrigen Bieter eine Mischkalkulation vorgenommen hätten, sei die Antragsgegnerin in ihrer fachtechnischen Stellungnahme vom 19. Januar 2021 selbst ausgegangen, ohne jedoch die Angebote der fraglichen Bieter der gebotenen Überprüfung zu unterziehen und diese vom Vergabeverfahren auszuschließen.
Der Senat hat die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert und ausgeführt. Der Zuschlag sei ausweislich der Vergabeakte am 5. Februar 2021 und damit vor der Änderung erfolgt. Prüfungsmaßstab, ob die Änderung ein neues Vergabeverfahren erfordere, sei vorrangig § 132 Abs. 3 GWB. Danach sei eine Änderung zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter nicht ändere und der Umfang der Änderung weder den Schwellenwert übersteige noch mehr als zehn Prozent des Auftragswerts betrage. Vorliegend ändere sich der Gesamtcharakter nicht und auch die Wertgrenzen seien nicht überschritten. Insoweit komme es nach § 132 Abs. 1 GWB auf den erteilten öffentlichen Auftrag und somit allein auf das bezuschlagte Angebot an. Ein eventueller Verstoß gegen § 60 VgV könne nach Zuschlag nicht mehr geltend gemacht werden. Die Antragstellerin hat demgegenüber die Auffassung vertreten, es sei nicht auf die formelle Änderung, sondern auf den 26. Januar 2021 abzustellen, weil es zu diesem Zeitpunkt bereits Überlegungen zu einer Änderung gegeben habe. Durch die Umstellung auf durchgehende Langsamfahrstellen ändere sich kalkulatorisch viel. Dem ist die Antragsgegnerin entgegengetreten. Am 26. Januar 2021 habe die ursprüngliche Version noch Gültigkeit gehabt, es wären lediglich ergebnisoffene Überlegungen angestellt worden. Die von ihr zur Vermeidung einer ATWS-Sicherung gewollte UV-Sperrung habe sich als machbar, aber schwierig erwiesen. Die Idee durchgehender Langsamfahrstellen sei erstmals in der Besprechung am 8. Februar 2021 aufgekommen und dann intern abgestimmt worden.
II.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingereicht worden. Die erforderliche Beschwer der Antragstellerin ist nach § 171 Abs. 1 Satz 2 GWB gegeben, weil sie am Verfahren vor der Vergabekammer beteiligt war und die Vergabekammer ihren Nachprüfungsantrag zurückgewiesen hat.
2. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist zulässig, aber unbegründet.
a) Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist statthaft. Zwar ist ein Nachprüfungsantrag gemäß § 160 Abs. 1 GWB grundsätzlich nur solange der statthafte Rechtsbehelf, wie ein Vergabeverfahren noch nicht durch einen wirksamen Zuschlag abgeschlossen ist. Das ergibt sich aus der Gesetzessystematik. Der vergaberechtliche Primärrechtsschutz hat nach § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB das Ziel, eine Rechtsverletzung im noch nicht abgeschlossenen Vergabeverfahren zu beseitigen. Ist es - infolge eines wirksamen Zuschlags - zu einer definitiven Rechtsverletzung im Vergabeverfahren gekommen, so sind gemäß § 13 GVG für die sich daraus ergebenden Rechtsstreitigkeiten unmittelbar die ordentlichen Gerichte zuständig (BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000, X ZB 14/00, NJW 2001, 1492 f.). Ist der Zuschlag einmal wirksam erteilt, ohne dass zuvor ein Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer eingeleitet worden ist, kann eine Zuständigkeit der Vergabekammern nicht mehr begründet werden. Das zeigt auch § 168 Abs. 2 GWB, insbesondere sein Satz 2, wonach aus Gründen der Prozessökonomie nur dann eine Zuständigkeit der Vergabekammer (fort)besteht, eine Rechtsverletzung trotz Zuschlags festzustellen, wenn das Nachprüfungsverfahren zum Zeitpunkt des Zuschlags bereits eingeleitet war (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2000, X ZB 14/00, NJW 2001, 1492 f; Senatsbeschluss vom 19. April 2017, Verg 38/16, BeckRS 2017, 116312 Rn. 18).
Allerdings gilt eine Ausnahme von diesem Grundsatz in den beiden in § 135 Abs. 1 GWB genannten Fällen, wobei die Vorschrift gemäß § 142 GWB auch für die Vergabe von Sektorentätigkeiten gilt. In diesen Fällen führt der Zuschlag zunächst nur zu einem schwebend wirksamen Vertrag. Binnen der in § 135 Abs. 2 GWB genannten Fristen kann deshalb noch vor der Vergabekammer ein Nachprüfungsverfahren eingeleitet werden mit dem Ziel, dass einer der beiden im Gesetz genannten Vergaberechtsverstöße festgestellt wird. In dem Fall, dass ein Verstoß festgestellt wird, ist der mit dem Zuschlag zunächst schwebend wirksame Vertrag von Anfang an unwirksam. § 135 GWB regelt damit den Spezialfall der Statthaftigkeit eines Nachprüfungsantrags trotz eines bereits erteilten Zuschlags (Senatsbeschluss vom 19. April 2017, Verg 38/16, BeckRS 2017, 116312 Rn. 19).
Für die Frage der Statthaftigkeit des auf § 160 Abs. 1 i.V.m. § 135 GWB gestützten Nachprüfungsantrags kommt es nicht darauf an, ob einer der in § 135 Abs. 1 GWB aufgeführten Vergaberechtsverstöße im Ergebnis zu bejahen ist. Die Frage eines Verstoßes gegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB betrifft sowohl die Statthaftigkeit als auch die Begründetheit des Nachprüfungsantrags (sog. doppelrelevante Tatsache). In solchen Fällen ist eine rechtliche Argumentation, nach der ein Verstoß gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 GWB zu bejahen ist, nicht schon im Rahmen der Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs, sondern erst im Rahmen der Begründetheit zu überprüfen (Senatsbeschluss vom 19. April 2017, Verg 38/16, BeckRS 2017, 116312 Rn. 19; OLG Celle, Beschluss vom 24. Oktober 2019, 13 Verg 9/19, NZBau 2020, 535 Rn. 17).
Dementsprechend ist auch hier nicht schon die Statthaftigkeit des Nachprüfungsantrags zu verneinen, sondern vom Vortrag der Antragstellerin auszugehen, die sich auf einen Verstoß gegen die § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB beruft und geltend macht, dass die Antragsgegnerin den Auftrag ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung vergeben habe, weil der am 21. Dezember 2020 ausgeschriebene Auftrag nachträglich wesentlich geändert worden und eine zulässige Änderung nach § 132 Abs. 3 GWB nicht gegeben sei, weshalb es gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB eines neuen Vergabeverfahrens bedurft hätte.
Der von der Antragstellerin verfolgte Nachprüfungsantrag ist auch im Übrigen zulässig. Der maßgebliche Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 15 der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU ist unzweifelhaft überschritten. Auch ist die Antragstellerin gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Ihr Nachprüfungsantrag ist ferner fristgerecht eingereicht worden und auch nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert.
Die in § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB formulierte Frist für die Geltendmachung der Unwirksamkeit ist gewahrt. Nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB muss die Unwirksamkeit innerhalb von 30 Kalendertagen nach Information der betroffenen Bieter durch den öffentlichen Auftraggeber, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss geltend gemacht werden. Da die Änderung des Auftrags nicht vor dem 4. März 2021 erfolgt ist, zu dem nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin die Zustimmung des Leitstellen-Anlagenverantwortlichen erteilt worden ist, hat der am 12. März 2021 eingereichte Nachprüfungsantrag diese Fristen in jedem Fall gewahrt. Auch der Rüge vom 9. März 2021 hätte es nicht bedurft. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 2 GWB gilt die Rügeobliegenheit nach Satz 1 nicht bei einem Antrag auf Feststellung der Unwirksamkeit eines ohne die gebotene Ausschreibung vergebenen Vertrages nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB.
b) Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet. Der Vertrag der Antragsgegnerin mit Beigeladenen ist nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB i. V. m. § 142 GWB unwirksam. Eine Auftragsvergabe ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union ist nicht gegeben. Die Sicherungsleistung ist von der Antragsgegnerin mit Bekanntmachung vom 21. Dezember 2020 ordnungsgemäß ausgeschrieben worden. Die nach Auftragsvergabe vorgenommene Änderung erforderte kein neues Vergabeverfahren, sie war keine wesentliche im Sinne des § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB.
Die vom Oberlandesgericht Celle offengelassene Frage, ob § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB auf Änderungen vor Zuschlagserteilung entsprechend anzuwenden ist (Beschluss vom 24. Oktober 2019, 13 Verg 9/19, NZBau 2020, 535 Rnrn. 22 ff), bedarf auch vorliegend keiner Entscheidung. Ausweislich der Vergabeakte ist der Zuschlag am 5. Februar 2021 und damit vor der Änderung des Vertrags erteilt worden. Wie aus Anlagen Ast 5 und AG 5 ersichtlich, ist die Änderung in durchgehende Langsamfahrstellen im Formbogens erstmals am 26. Februar 2021 und abschließend erst am 4. März 2021 erfolgt.
Der Umstand, dass erste Überlegungen zu einer Änderung bereits vor der Zuschlagserteilung angestellt worden sind, rechtfertigt keine andere Betrachtung. Die ausgeschriebene Leistung stellt nur selten die einzig gangbare Möglichkeit dar. Beim öffentlichen Auftraggeber werden daher oftmals Überlegungen existieren, ob der zu erteilende Auftrag nicht doch hätte optimiert werden können. Die Vorschrift des § 132 GWB, der auf die Änderung des erteilten Auftrags und damit gerade auf den Rechtsakt Vertragsänderung abstellt, würde weitgehend leerlaufen, ließe man die bloße Existenz derartiger Überlegungen für die Verneinung der Nachträglichkeit der Änderung ausreichen.
Es ist auch nicht dargetan, dass die Antragsgegnerin zur Änderung der für die Leistungspositionen 02.01.0190 und 02.01.0195 maßgeblichen Langsamfahrstellen von täglich 21.05 Uhr bis 04.55 Uhr zu durchgehend bereits bei Zuschlagserteilung am 5. Februar 2021 entschlossen war. Im Rahmen des zeitlich vorangegangen, im Zeitpunkt der Ausschreibung noch laufenden Sicherungsauftrag hatte sich nachträglich die Notwendigkeit einer Sicherung mittels ATWS gezeigt, die die Antragsgegnerin nie wollte, weshalb sie beim ausgeschriebenen Auftrag zu UV-Sperrungen überzugehen wünschte. Nach ihrem unwiderlegten und in sich stimmigen Vortrag hat sich in der einwöchige Testphase vom 1. bis 8. Februar 2021 gezeigt, dass sich hierdurch kein positiver Effekt auf die erforderliche Dauer beim Einrichten der Langsamfahrstelle erzielen lässt und zudem eine erhebliche Mehrbelastung der Fahrdienstleister entsteht. Erst danach kam in der Baubesprechung am 8. Februar 2021 erstmals die Idee durchgehender Langsamfahrstellen auf. Abgesehen davon, dass der erstmalige Einfall eines Mitarbeiters nicht mit der am Ende einer Überlegung stehenden Auftragsänderung gleichgesetzt werden kann, war zu diesem Zeitpunkt der Zuschlag bereits erteilt.
aa) Gemäß § 132 Abs. 1 Satz 1 GWB erfordern nur wesentliche Änderungen eines öffentlichen Auftrags während der Vertragslaufzeit ein neues Vergabeverfahren. Nach § 132 Abs. 3 GWB ist eine Änderung eines öffentlichen Auftrags ohne Durchführung eines neuen Vergabeverfahrens jedenfalls dann zulässig, wenn sich der Gesamtcharakter des Auftrags nicht ändert, der Wert der Änderungen die jeweiligen Schwellenwerte nach § 106 nicht übersteigt und bei Liefer- und Dienstleistungsaufträgen nicht mehr als 10 Prozent und bei Bauaufträgen nicht mehr als 15 Prozent des ursprünglichen Auftragswertes beträgt. § 132 Abs. 3 GWB normiert eine "de-minimis-Grenze" für Auftragsänderungen während der Vertragslaufzeit, wonach geringfügige Änderungen des Auftragswerts bis zu einer bestimmten Höhe grundsätzlich zulässig sind, ohne dass ein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden muss (Hüttinger in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017, GWB § 132 Rn. 74).
Neben den zwei Geringfügigkeitsgrenzen, die kumulativ eingehalten werden müssen, darf die Auftragsänderung auch nicht zu einer Veränderung des Gesamtcharakters des Auftrags führen. Die Elemente, die einem konkreten öffentlichen Auftrag sein Gepräge geben, die wie die Auftragsart, die Art der Refinanzierung des Auftragnehmers oder die Laufzeit, die zentral für die Marktansprache sind, dürfen sich nicht ändern, weil Änderungen dieser zentralen Elemente dazu führen, dass es sich nicht mehr um den geänderten ursprünglichen, sondern um einen anderen Vertrag handelt: So darf die Änderung nicht dazu führen, dass über die Anwendung des § 110 GWB aus einem Dienstleistungsauftrag ein Bauauftrag wird, aus einem befristeten Auftrag ein unbefristeter oder wegen einer Änderung des Modus der Refinanzierung des Auftragnehmers aus einem öffentlichen Auftrag eine Konzession wird. Dies entspricht Erwägungsgrund 109 der Vergaberichtlinie 2014/24/EU, wonach eine Veränderung des Gesamtcharakters vorliegt, wenn "beispielsweise die zu beschaffenden Bauleistungen, Lieferungen oder Dienstleistungen durch andersartige Leistungen ersetzt werden oder sich die Art der Beschaffung grundlegend ändert" (s. auch Ziekow in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, GWB § 132 Rn. 41)
bb) Bezugspunkt der Prüfung, ob die Voraussetzungen des § 132 Abs. 3 GWB erfüllt sind, ist der ursprünglich vergebene öffentliche Auftrag und damit allein das Angebot, welches den Zuschlag erhalten hat. Nach § 132 Abs. 1 Satz 2 GWB sind wesentlich nur solche Änderungen, die dazu führen, dass sich der öffentliche Auftrag erheblich von dem ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrag unterscheidet. Dies gilt selbstverständlich auch für die Prüfung der Voraussetzungen des § 132 Abs. 3 GWB, nach dessen Nummer 2 der Wert der Änderung gerade auf den ursprünglichen Auftragswert bezogen ist.
Die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 4. März 2021 zur Vermeidung der mit täglichen UV-Sperrungen einhergehenden erheblichen Mehrbelastung ihrer Fahrerdienstleister die Langsamfahrstellen nicht mehr vom 9. April 2021 bis zum 21. Mai 2021 lediglich täglich von 21.05 Uhr bis 4.55 Uhr des Folgetages, sondern vom 4. Juni 2021 bis zum 2. Juli 2021 durchgehend bestehend zu lassen, führt nur zu einer marginalen Änderung des der Beigeladenen erteilten Auftrags. Zwar führt dies zu einem Wegfall von bis zu 90 Prozent der unter den Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erfassten Leistungen des In- beziehungsweise Außerbetriebsetzen der Langsamfahrsignale. Diese Positionen machen beim Angebot der Beigeladenen jedoch weit weniger als zehn Prozent des ursprünglichen Auftragswerts aus und erreichen auch den Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 15 lit. a der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU bei weitem nicht.
Durch die Änderung hat sich auch nicht der Gesamtcharakter des Auftrags verändert. Eine Änderung des Gesamtcharakters ist nur gegeben, wenn sich zentrale Elemente wie die Auftragsart ändern. Das Kriterium der Veränderung des Gesamtcharakters ist mit dem der wesentlichen Änderung nach § 132 Abs. 1 GWB gerade nicht identisch (Ziekow in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, GWB § 132 Rn. 41). Eine Änderung der Auftragsart oder der Laufzeit ist jedoch nicht gegeben. Der Auftrag bleibt ein Auftrag zur Sicherung von konkreten Gleisbauarbeiten. Kalkulatorische Änderungen, selbst wenn diese - was in Bezug auf das Angebot der Beigeladenen ohnehin nicht gegeben ist - erheblich sind, ändern nicht den Gesamtcharakter des Auftrags als einer befristeten Sicherung von Gleisbauarbeiten. Kalkulatorische Änderungen sind allein für die vorgenannten Schwellenwerte relevant.
cc) Soweit die Antragstellerin für die Beurteilung des Grades der Änderung nicht auf das Angebot der Beigeladenen, sondern auf ihr Angebot abstellen möchte, bei dem ein Wegfall von 90 Prozent der unter den Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erfassten Leistungen zu einer Wertänderung von mehr als 10 Prozent und zu einer Überschreitung der Schwellenwerte führen würde, was sie mit einer verfehlten Kalkulation der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 seitens der Beigeladenen, die zu einer entgegen § 60 VgV nicht aufgeklärten Unauskömmlichkeit von deren ursprünglichen Angebots geführt hätte, begründen will, hat ihr Vorbringen keinen Erfolg.
Die Regelung in § 135 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 132 GWB erfasst allein nachträgliche Änderungen. Der Gesetzgeber hat den Zielkonflikt zwischen Bieterschutz und Rechtssicherheit, dahingehend gelöst, dass der in § 168 Abs. 2 S. 1 GWB normierte Grundsatz der Bestandskraft der Verträge allein in den gesetzlich normierten Fällen durchbrochen werden kann (Braun in Ziekow/Völlink, 4. Aufl. 2020, GWB § 135 Rn. 3). Die Bestimmung dient nicht dazu, Vergaberechtsverstöße, die bereits den Zuschlag gehindert und die nach ordnungsgemäßer Information innerhalb der Wartefrist nach § 134 GWB hätten gerügt werden können, trotz des formal ordnungsgemäßen Zuschlags doch noch zu berücksichtigen. Die Zufälligkeit einer nachträglichen Änderung vermag eine Überprüfung des bereits erteilten ursprünglichen Auftrags nicht, auch nicht inzidenter zu begründen. Was ohne die beanstandete Änderung des Auftrags aufgrund des erteilten Zuschlags nicht mehr im Vergabeverfahren hätte überprüft werden können, bleibt der Prüfungskompetenz der Nachprüfungsinstanzen entzogen. Gegenstand der Überprüfung im Rahmen des § 135 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 132 GWB kann allein die Änderung des ursprünglich vergebenen öffentlichen Auftrags sein, bezüglich dessen es bei dem in § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB normierten Grundsatz zu verbleiben hat, dass ein wirksam erteilter Zuschlag nicht wieder aufgehoben werden kann.
dd) Nur ergänzend bemerkt der Senat, dass im Übrigen selbst eine vom Angebot der Beigeladenen gelöste Betrachtung nicht zur Überschreitung der in § 132 Abs. 3 GWB normierten Geringfügigkeitsgrenzen führen würde.
Neben der Antragstellerin und der Beigeladenen hat noch ein dritter Bieter ein wertungsfähiges Angebot eingereicht. Auch bei diesem machen die unter den Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 erfassten Leistungen weit weniger als zehn Prozent des ursprünglichen Auftragswerts aus und erreichen auch den Schwellenwert nach § 106 Abs. 2 Nr. 2 GWB i.V.m. Art. 15 lit. a der Sektorenrichtlinie 2014/25/EU bei weitem nicht.
Soweit die Antragstellerin auf ihr eigenes Angebot verweist, ist zu berücksichtigen, dass sie ausweislich ihres eigenen Beschwerdevorbringens neben den Einsatzstunden des Signalmonteurs auch Einsatzstunden für Betrieb und Schaltung eines Automatischen Warnsystems (ATWS) und dessen Aufbau und Vorhaltung entsprechend den auf die Arbeitsstellensicherung, Gruppe 01, bezogenen Positionen 01.06.0010, 01.06.0040, 01.06.0050, 01.06.0090 und 01.06.0100 auch für den vorliegend relevanten Bereich der bauaffinen Dienstleistungen, Gruppe 02, kalkuliert hat.
Die Antragsgegnerin hatte jedoch spätestens mit der Beantwortung der Bieterfrage 7 klargestellt, dass UV-Sperrungen vorgesehen sind. Mit dieser hätte die Antragstellerin daher kalkulieren müssen. Ein nachtäglicher Übergang zu einem Automatischen Warnsystem dürfte zwar im Bereich des Möglichen gelegen haben, da auch hierdurch die zur Begründung des Übergangs zur durchgehenden Langsamfahrstelle angeführte erhebliche Mehrbelastung der Fahrdienstleiter zu vermeiden gewesen wäre. Gleichwohl hätte vor diesem Hintergrund der nachtägliche Übergang zu einem Automatischen Warnsystem eine Änderung des erteilten öffentlichen Auftrags dargestellt, die dann im Rahmen einer Auftragsanpassung zu kalkulieren gewesen wäre. Es ist nicht Aufgabe des Bieters, mögliche nachträgliche Änderungen des Auftrags vorwegzunehmen und vorsorglich bereits mit einzupreisen.
Nach der eigenen Darstellung der Antragstellerin in der Beschwerdeschrift entfällt drei Viertel der in Bezug auf die Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 kalkulierten Arbeitszeit auf das Automatische Warnsystem. Hinzutreten die Kosten für dessen Aufbau und Vorhaltung. Rechnet man diese Positionen raus, sinkt der Anteil der Positionen 02.01.0190 und 02.01.0195 am Angebotspreis der Antragstellerin drastisch. Die dann noch verbleibenden Beträge, die zudem lediglich entsprechend der Arbeitsreduktion um 90 Prozent zu kürzen sind, unterschreiten die in § 132 Abs. 3 GWB normierten Geringfügigkeitsgrenzen. Hinsichtlich des Kriteriums des Auftrags-charakters gilt auch hier das zuvor Ausgeführte.
ee) Da die nachträgliche Auftragsänderung jedenfalls nach § 132 Abs. 3 GWB ohne erneutes Vergabeverfahren zulässig war, kann dahinstehen, ob es auch an einer wesentlichen Änderung i. S. d. § 132 Abs. 1 GWB fehlt. Soweit die Antragstellerin darauf abstellt, bei Ausschreibung unter der Bedingung einer durchgehenden Langsamfahrstelle hätten sich aufgrund des reduzierten Personalbedarfs auch andere Teilnehmer interessiert, unter anderem die in ihr zusammengeschlossenen Unternehmen jedes für sich, könnte allerdings ohnehin nicht auf den für ein Automatisches Warnsystem in Ansatz gebrachten Mehrbedarf abgestellt werden. Dass auch der bei Annahme einer UV-Sperrung verbleibende Personalbedarf Unternehmen an der Teilnahme gehindert hätte, ist nicht dargetan.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 175 Abs. 2 i.V.m. § 71 GWB. Demnach trägt die Antragstellerin die Kosten ihres unbegründeten Rechtsmittels einschließlich der zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.
Eine Entscheidung über die notwendigen Auslagen der Beigeladenen ist nicht veranlasst. Ein Beigeladener ist nur dann kostenrechtlich wie der Antragsteller oder Antragsgegner eines Nachprüfungsverfahrens zu behandeln, wenn er die durch die Beiladung begründete Stellung im Beschwerdeverfahren auch nutzt, indem er sich an diesem Verfahren beteiligt. Hierfür bedarf es einer sachlichen Stellungnahme zur sofortigen Beschwerde (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, NZBau 2006, 800 Rn. 63). Es bedarf folglich einer aktiven Beteiligung am Verfahren, in deren Rahmen der Beigeladene nicht nur erfolgreich eigene Anträge gestellt, sondern diese begründet oder das Verfahren sonst wesentlich gefördert hat (Senatsbeschluss vom 17. Mai 2004, Verg 12/03, BeckRS 2005, 3569; OLG Celle, Beschluss vom 12. Januar 2012, 13 Verg 9/11, BeckRS 2012, 1456). Es bedarf eines substantiellen eigenen Vorbringens (Krohn in Burgi/Dreher, Beck`scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2017 § 182 Rn. 67). Diesem Erfordernis hat die Beigeladene nicht genügt. Zwar hat sie eigene Anträge gestellt, zu deren Begründung hat sie jedoch lediglich auf den Vortrag der Antragsgegnerin und ihren eigenen erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen. Dies reicht zur Begründung nicht. Es bedarf einer eigenständigen Begründung. Ein bloßer Verweis auf das Vorbringen der Antragsgegnerin oder auf das eigene Vorbringen erster Instanz genügt dem Begründungserfordernis nicht (vgl. zur Berufungsbegründung BGH, NJW 2013, 174 Rn. 10).
Die Entscheidung über die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 2 GKG. Demnach beträgt der Gegenstandswert fünf Prozent des Bruttoauftragswerts des Angebots der Antragstellerin (Senatsbeschluss vom 10. Februar 2021, Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 56).
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VK Westfalen
Beschluss
vom 21.02.2024
VK 3-42/23
1. Die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung muss sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist.
2. Ein Auftraggeber, der nach der Wertungsentscheidung aber vor Zuschlag Kontakt mit dem Zuschlagsprätendenten aufnimmt, und diesen bei ihm originär zufallenden Aufgaben unterstützt, nimmt eine "sonstige Unterstützungshandlung" i.S.v. § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV vor, so dass ein Interessenkonflikt bei ihm vermutet wird.
2. Eine besondere Eilbedürftigkeit und die Kontinuität der Leistungserbringung rechtfertigen keine derartige Nähe zum Zuschlagsprätendenten vor Zuschlagserteilung.
In dem Nachprüfungsverfahren
wegen der Vergabe von Sicherheitsdienstleistungen für Kulturbetriebe
(...)
hat die Vergabekammer Westfalen durch den Vorsitzenden Stodollick, den hauptamtlichen Beisitzer Gaidies-Grundmann und den ehrenamtlichen Beisitzer ### auf die mündliche Verhandlung vom 2. Februar 2024 am 21. Februar 2024
entschieden:
1. Dem Nachprüfungsantrag wird stattgegeben. Bei fortbestehender Beschaffungsabsicht ist das Vergabeverfahren in den Zustand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Insoweit sind Bekanntmachung und Vergabeunterlagen unter Beachtung der Rechtsauffassung der Kammer zu überarbeiten.
2. Die Kosten des Verfahrens werden auf 2.955,60 Euro festgesetzt.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
Mit Bekanntmachung vom 18. Juli 2023 (Referenznummer der Bekanntmachung: L207/23) schrieb die Antragsgegnerin Sicherheitsdienstleistungen für Kulturbetriebe im nicht offenen Verfahren als Rahmenvereinbarung in zwei Losen aus. Los 1 betraf Sicherheitsdienstleistungen in Museen und Los 2 Sicherheitsdienstleistungen in kulturellen Einrichtungen. Die Laufzeit des Vertrages betrug ein Jahr mit der Option, den Vertrag dreimal um jeweils ein weiteres Jahr zu verlängern. Der geschätzte Auftragswert liegt über dem für EU-Vergaben maßgeblichen Schwellenwert für Sicherheitsdienstleistungen.
Für den Teilnahmewettbewerb sah Ziffer 11.2.9 der Bekanntmachung teils unterschiedlich gewichtete Auswahlkriterien vor, anhand derer die Antragsgegnerin eine Wertungsreihenfolge zur Auswahl nur der fünf bestplatzierten Teilnehmer zu erstellen beabsichtigte. Die Auswahl sollte unter anderem erfolgen nach Anzahl und Berufserfahrung der eingesetzten Sicherheitsdienstmitarbeiter sowie der sich aus Referenzen ergebenden Berufserfahrung der Teilnehmer selbst in Bezug auf die Durchführung von Aufträgen vergleichbarer Größenordnung. Ziffer IV. 1.3 der Bekanntmachung lautete:
"Abschluss einer Rahmenvereinbarung mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern, geplante Höchstzahl: 2"
Einziges Zuschlagskriterium war der Angebotspreis.
Die Vergabeunterlagen bestanden neben dem Teilnahmeantrag insbesondere aus den Leistungsbeschreibungen für die jeweils zu sichernden Objekte (von der Antragsgegnerin als "Position" bezeichnet), den Preisblättern und "Besondere[n] Vertragsbedingungen für Sicherheitsdienstleistungen für die Kulturbetriebe [der Antragsgegnerin]".
Mit dem Teilnahmeantrag wiederholte die Antragsgegnerin die Auswahlkriterien aus der Bekanntmachung und fragte insbesondere Mitarbeiterzahlen der Teilnehmer aus den Jahren 2020, 2021 und 2022 sowie Referenzobjekte ab, bei denen die Sicherungsdienstleistungen in Museen vergleichbarer Größenordnung (Los 1: Anzahl Objekte: Museen, Stundenvolumen Auftrag: ca. h pro Jahr) oder in kulturellen Einrichtungen (Los 2: Anzahl Objekte: l...] kulturelle Einrichtungen, Stundenvolumen Auftrag: ca. [...] h pro Jahr) durchgeführt wurden.
Die Preisblätter enthielten für die einzelnen zu sichernden Objekte jeweils die Leistungen "Standardbewachung" (Ziffern [...].1 bis [...].6), "Sonderveranstaltung" (Ziffern [...].7 bis [...].12) und "Spontanbewachung" (Ziffern [...].13 bis 18), wobei die Antragsgegnerin vereinzelt die Stundenwerte der Gesamtstunden für ein Jahr vorgab.
Sie wies in den Preisblättern auf Folgendes hin:
Bei den angegebenen Stundenzahlen handelt es sich ausschließlich um eine fiktive Mengenangabe für die Wertung, basierend auf den voraussichtlichen Standardeinsatzzeiten sowie den Erfahrungen aus den Vorjahren. Die tatsächliche Abrufhöhe kann hiervon abweichen.
In dem Preisblatt betreffend die Sicherung des Objekts "###-Haus" waren die Preise für eine Vertragslaufzeit von einem Jahr, in den übrigen Preisblättern für vier Jahre anzugeben.
In den "Besondere[n] Vertragsbedingungen für Sicherheitsdienstleistungen für die Kulturbetriebe [der Antragsgegnerin]" ergänzte die Antragsgegnerin unter der Überschrift "Kalkulation - Mehrleistung", Ziffer VI.3, dass die Mengenangaben in der Preisabfrage auf Erfahrungswerten aus den letzten Jahren [basieren]. Eine Über- sowie Unterschreitung der Menge ist daher möglich.
Neben weiteren Teilnehmern reichten die Antragstellerin und die Beigeladene einen Teilnahmeantrag ein. Die Antragsgegnerin prüfte die Teilnahmeanträge durch ihren FB 19.2 ("Vergabestelle") ohne Einbeziehung des EB 41 ("Museen/Bibliotheken/Stadtarchiv/). Auf Grundlage der vorgenannten Eignungskriterien forderte die Antragsgegnerin die fünf Unternehmen mit der höchsten Wertungspunktzahl im Teilnahmewettbewerb, darunter die Antragstellerin und die Beigeladene, zur Abgabe eines Angebots bis Ablauf des 24. Oktober 2023 auf. Innerhalb der Angebotsfrist gingen vier Angebote ein.
Im Zusammenhang mit der Prüfung der Angemessenheit der Preise übermittelte FB 19 dem EB 41 das Angebot der Beigeladenen für Los 1 "zur Durchsicht". Bevor EB 41 am 2. November 2023 die Angemessenheit bestätigte, nahm eine Mitarbeiterin aus dem EB 41 unmittelbar Kontakt mit den Mitarbeitern der Antragstellerin auf. Sie forderte diese zur Abgabe von Blankobewerbungen auf, damit sie die Bewerbungen nach Auftragserteilung dem neuen Auftraggeber übergeben könne. Auf eine aus den Vergabeunterlagen nicht ersichtliche Reaktion der Antragstellerin antwortete die vorgenannte Mitarbeiterin aus dem Bereich 41 am 3. November 2023:
"Ihre Mitarbeiter wurden nicht aufgefordert, sich bei einer anderen Firma zu bewerben; sie wurden aufgefordert, mir Blankobewerbungen ohne Adressaten zu überreichen. Es wurden alle Mitarbeiter*innen angesprochen, die ggf. Interesse haben, bei den Museen zu bleiben. Sollte nach Ende der Ausschreibungsfrist feststehen, dass die [Antragstellerin] den Zuschlag für die Ausschreibung nicht bekommt, können die Bewerbungen an die neue Firma überreicht werden. Dies ist ein ganz normaler Vorgang und wurde bei dem Wechsel von der Vorgängerfirma zur Antragstellerin identisch gehandhabt. Auch die [Antragstellerin] hat damals Blanko-Bewerbungen erhalten, da zum Zeitpunkt der Bewerbungserstellung noch nicht feststand, welche Firma den Zuschlag erhält. Dies müssen wir so handhaben, damit Zeit gespart wird. Sollte die [Antragstellerin] den Zuschlag erhalten, würden die Bewerbungen an die Mitarbeiter*innen zurückgeschickt.
Mit freundlichen Grüßen
(...)"
Zu diesem Zeitpunkt war die Auswahlentscheidung noch nicht getroffen. Vielmehr setzte FB 19 nach Rückmeldung des EB 41 die Angebotsprüfung fort. Beispielsweise fragte FB 19 einen Auszug aus dem Wettbewerbsregister nach und bat einen weiteren Fachbereich um Mitteilung, ob gewerberechtliche Bedenken gegen die Beauftragung der Beigeladenen bestünden. Da der Angebotspreis der Beigeladenen für Los 2 geringer als die Kostenschätzung ausfiel, bat FB 19 EB 41 mit E-Mail vom 16. November 2023 weiterhin um Erläuterung insbesondere der Position 5 (Preisabfrage ###). EB 41 teilte mit, dass es aufgrund der Schließung eines Objekts wegen Umbaumaßnahmen neben dem regulären Bedarf für vier Jahren zusätzlich die (verringerten) Kosten während des geschlossenen Betriebs abgefragt habe.
In der Kostenschätzung wurden die verringerten Kosten während des geschlossenen Betriebs [...] für drei Jahre einkalkuliert und nicht wie in der Preisabfrage für ein Jahr [...
FB 19 führte aus:
"Fraglich ist, ob die Preisabfrage angepasst werden müsste, da ein Bedarf abgefragt worden ist, der voraussichtlich in geringerem Umfang abgerufen wird.
Vorliegend handelt es sich um einen Rahmenvertrag. Die angegebenen Mengen dienen ausschließlich als Grundlage für die Wertung. Es besteht weder eine Verpflichtung die angegebenen Mengen abzurufen noch die generelle Abnahme einzelner Positionen. Eine Über- sowie Unterschreitung der Menge wurde sich in den Besonderen Vertragsbedingungen vorbehalten. Es werden nur die tatsächlichen Leistungen abgerechnet."
Da die Beigeladene in beiden Losen preisgünstiger war, informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin am 24. November 2023 gemäß S 134 GWB über ihre Absicht, der Beigeladenen am 5. Dezember 2023 den Zuschlag zu erteilen.
Mit E-Mail vom 27. November 2023, 7:58 Uhr wandte sich die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Bereich 41 an die Mitarbeiter der Antragstellerin:
"Betreff Wechsel der Wachfirma
Guten Morgen alle zusammen, ich wurde heute darüber informiert, dass es aller Wahrscheinlichkeit nach am 16.12.2023 zu einem Wechsel der Wachfirma kommt. [...]. Die [Beigeladene] hat das beste Angebot abgegeben (...).
Ich habe heute auch direkt Kontakt mit der wahrscheinlich neuen Firma aufgenommen und würde, sobald sich diese bei mir zurückmeldet, als allererstes die Personalfrage klären. Ich weise noch einmal darauf hin, dass die endgültige Entscheidung erst am 05.12.2023 mit Vertragsunterzeichnung fällt. Dennoch habe ich vom Vergabeamt die Freigabe erhalten, mir der wahrscheinlich neuen Firma schon in Kontakt zu treten. Sollte die neue Firma mitteilen, dass sie Interesse an der Übernahme des jetzigen Personals hat, würde ich die Bewerbungen, die Sie mir gegeben haben, weitergeben. Einige Bewerbungen enthalten alle notwendigen Unterlagen wie Führungszeugnis etc., andere nicht. Ich würde deswegen, vorbehaltlich Ihrer Einwilligung, die Bewerbungen mit den Unterlagen aufstocken, die ich von der [Antragstellerin] zur Verfügung gestellt bekommen habe (...)"
Am 27. November 2023, 14:55 Uhr ergänzte sie:
"Die Vorstellungsgespräche mit Ihnen finden dann am 04.12.2023 [in den Räumlichkeiten der Antragsgegnerin] statt."
Weitere, ähnliche Korrespondenz ist der von der Kammer mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2023 angeforderten Vergabedokumentation zu entnehmen.
Die Antragstellerin rügte das Absageschreiben vom 24. November 2023 am 28. November 2023 insoweit als vergaberechtswidrig als darin die vollständigen Gründe für die Nichtberücksichtigung und die Mitteilung der Platzierung ihres Angebots fehlten. Weiterhin rügte sie, dass der Zuschlag nur an ein Unternehmen erteilt werden solle. Dies widerspreche der Bekanntmachung, in der es heiße:
"Geplante Höchstanzahl an Beteiligten an der Rahmenvereinbarung: 2"
Am 29. November 2023 stellte die Antragsgegnerin der Antragstellerin eine Antwort in Aussicht, die nicht erfolgte.
Nach unbeantworteter weiterer Rüge vom 2. Dezember 2023 verfolgt die Antragstellerin ihr Rügevorbringen mit Nachprüfungsantrag vom 4. Dezember 2023 weiter.
Sie ist der Auffassung, dass ein Vergabeverstoß bereits in der fehlenden Angabe einer Schätz- oder Höchstmenge zu sehen sei, was gegen Transparenz und Gleichbehandlung verstoße. Die aus den Preisblättern ersichtlichen fiktiven Abnahmemengen oder Vordersätze seien keine Höchstabnahmemengen. Im Gegenteil behalte sich die Antragsgegnerin in den Besonderen Vertragsbedingungen der Antragsgegnerin ein Über- oder Unterschreiten dieser Mengen vor. In der Folge bestehe für einen Bieter das Risiko, weit über den angegebenen Schätzwert leistungsfähig sein zu müssen. In Kenntnis einer konkreten Höchstabnahmemenge hätte die Antragstellerin schärfer kalkulieren und einen niedrigeren Gesamtpreis anbieten können.
Weiterhin frage die Antragsgegnerin rein fiktive Preise ab, die nicht zu den jeweiligen Vorgaben der Leistungsbeschreibung passten und damit gegen S 127 Abs. 3 GWB verstießen. Bei den Objekten ###-Haus und ### sei die Binnengewichtung ebenso fehlerhaft wie einige Vordersätze bei den Objekten Zentralbibliothek und ###-Haus. Dies lade zu Spekulationen und unzulässigen Mischkalkulationen ein.
Auch habe die Antragsgegnerin ausweislich der Bekanntmachung zwei Unternehmen beauftragen wollen, den zweitplatzierten Bieter im Zuschlagsschreiben aber nicht mitgeteilt.
Das Vergabeverfahren könne nicht rechtmäßig beendet werden, da bei der Mitarbeiterin aus dem Kulturbereich ein Interessenkonflikt bestanden habe und sich dieser auf das Vergabeverfahren ausgewirkt habe. Schließlich habe die vorgenannte Mitarbeiterin die Beigeladene vor Zuschlagserteilung und auch während der GWB-Wartefrist in rechtswidriger Weise bei der Suche nach Personal unterstützt. Dass zwischen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen offenbar schon länger Kontakt bestanden habe, ergebe sich insbesondere aus den E-Mails der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Kulturbereich vom 27. November 2023. Wenn die Antragsgegnerin davon ausgehe, die Aufforderung an Mitarbeiter der Antragstellerin, bei der Antragsgegnerin vorausgefüllte Blankobewerbungen einzureichen, um diese an die Beigeladene weiterzugeben, sei ein "ganz normalen Vorgang zur Zeitersparnis", verkenne sie offenbar die Rechtslage. Eine vermeintliche Eilbedürftigkeit sei kein tauglicher Grund für eine derartige Diskriminierung. Dass auch die Vergabestelle voreingenommen sei, zeige sich daran, dass diese eine Erwiderung auf die Rüge in Aussicht gestellt, diese aber schlussendlich unterlassen habe. Hierdurch entstehe der Eindruck, als wolle die Antragsgegnerin Zeit gewinnen und die Antragstellerin durch irreführende Aussagen von der fristgerechten Einleitung rechtlicher Schritte abhalten.
Die Beigeladene sei nicht geeignet. Sie könne weder Gewähr für ihre finanzielle Leistungsfähigkeit bieten noch vergleichbare Referenzen vorweisen. Ihr Unternehmen sei sehr klein und habe in den letzten Jahren keinerlei Mitarbeiterwachstum zu verzeichnen gehabt. Ab dem Jahr 2020 seien keine Unternehmensbilanzen der Beigeladenen auffindbar. Dies deute darauf hin, dass Minusjahre verschleiert würden. Auch lasse sich weder auf der Plattform TED noch von der Homepage der Beigeladenen entnehmen, dass die Beigeladene Erfahrung mit der Bewachung von Museen habe. Da nicht nur ein Museum bzw. eine Kultureinrichtung Gegenstand des jeweiligen Loses sei, könne auch die Bewachung eines einzelnen Museums nicht als vergleichbare Referenz gewertet werden. Zudem seien die Referenzen je Los zu betrachten. Während ein Museum zugleich auch als kulturelle Einrichtung zu werten sei, könne umgekehrt nicht jedwede kulturelle Einrichtung als Museum gelten.
Auch habe die Antragsgegnerin das Verfahren nicht zeitnah, fortlaufend und mit der gebotenen inhaltlichen Tiefe dokumentiert. Dass die Antragsgegnerin überprüft habe, ob die von der Beigeladenen vorgelegten Referenzen vergleichbare Leistungen beträfen, ihr Umsatz als ausreichend erachtet werde und für die Leistungserbringung hinreichend Mitarbeiter zur Verfügung stünden, lasse sich der Vergabeakte nicht einwandfrei entnehmen.
Die Antragstellerin beantragt:
1. Der Antragsgegnerin wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufgegeben, ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen.
2. Der Antragsgegnerseite wird bei fortbestehender Beschaffungsabsicht aufgegeben, die Angebotsphase unter Zugrundelegung rechtskonformer Preisblätter und unter rechtskonformer Prüfung der Angebote im Hinblick auf die Erfüllung der Vorgaben der Leistungsbeschreibung gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung zu wiederholen,
Hilfsweise: das Verfahren in den Zeitpunkt vor Prüfung der Teilnahmeanträge zurückzuversetzen und das Verfahren ab diesem Zeitpunkt und mithin die Eignungsprüfung sowie die Wertung der Teilnahmeanträge gemäß dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gemäß der Vergabeverordnung nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
Äußerst hilfsweise: Das Verfahren in den Stand vor Absendung der EU-Bekanntmachung zurückzuversetzen.
3. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerseite wird gemäß § 182 Abs. 4 GWB für notwendig erklärt.
4. Die Antragsgegnerseite hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung der Antragstellerseite zu tragen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
Der Nachprüfungsantrag sei erfolglos, da er teilweise unzulässig und im Übrigen jedenfalls unbegründet sei.
Soweit die Antragstellerin zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen vortrage, sei der Nachprüfungsantrag mangels Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB unzulässig. Der Vortrag, dass die Beigeladene nicht unter den besten fünf Teilnehmern gewesen sein könne, sei rein spekulativ. Die Beigeladene habe alle geforderten Eignungsnachweise eingereicht sowie ihre finanzielle Leistungsfähigkeit in den letzten drei Jahren und eine ausreichende Zahl an Mitarbeitenden nachgewiesen. Außerdem sei die Beigeladene der Antragsgegnerin als Auftragnehmerin bekannt. Referenzen im Zusammenhang mit Sicherungsdienstleistungen für Museen seien keine zwingend zu erfüllenden Mindestanforderungen an die Eignung. Diese seien optional gewesen und im Falle des Einreichens mit Zusatzpunkten bewertet worden.
Der Nachprüfungsantrag sei unzulässig nach § 160 Abs. 3 Nr. 2 GWB in Bezug auf die fehlende Angabe der Höchstabnahmemenge einerseits und die vermeintlich fehlerhaften Preisblätter andererseits. Beides hätte die Antragstellerin aus den Vergabeunterlagen erkennen können und bis Ablauf der Angebotsfrist rügen müssen. Abgesehen davon sei nicht ersichtlich, dass die Preisblätter Mischkalkulationen begünstigten. Bei keinem Bieter seien große Abweichungen zu marktüblichen Preisen erkennbar. Die Bieter hätten die passenden Stundenverrechnungssätze eingereicht und gesetzlich vorgeschriebene Abgaben sowie die erforderlichen Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschläge eingehalten. Da die ### voraussichtlich ab Oktober 2024 für Umbaumaßnahmen geschlossen werde, habe die Antragsgegnerin neben dem regulären Bedarf für vier Jahre zusätzlich die verringerten Kosten für Sicherungsdienstleistungen während des geschlossenen Betriebs abgefragt. In der Leistungsbeschreibung sei transparent dargestellt, dass die ### geschlossen werde und die Dauer der Umbaumaßnahme noch nicht bekannt sei. Die Mengenangaben in den Preisblättern seien auf der Grundlage langjähriger Erfahrung und voraussichtlicher Standardeinsatzzeiten erstellt worden. Bei den angegebenen Stundenzahlen handele es sich ausschließlich um fiktive Mengenangaben.
Die gesetzlichen Anforderungen an die Information gemäß S 134 GWB seien eingehalten worden. Da der Preis das alleinige Zuschlagskriterium sei, reiche es aus, den Bietern mitzuteilen, dass das eingereichte Angebot nicht das wirtschaftlichste sei. Hinsichtlich der an der Rahmenvereinbarung zu beteiligenden Bieter liege nach dem Wortlaut unter Punkt IV. 1.3 der Bekanntmachung "Geplante Höchstzahl an Beteiligten: 2" keine verbindliche Angabe vor, den Vertrag mit mehr als einem Bieter schließen zu müssen.
Auch hätten weder Mitarbeitende der Antragsgegnerin gegen das Mitwirkungsverbot verstoßen noch liege ein Interessenkonflikt gemäß § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV vor. Bei der erstmaligen Kontaktaufnahme durch eine Mitarbeiterin der Antragsgegnerin zu Mitarbeitenden der Antragstellerin Ende Oktober 2023 habe diese keine Informationen über das Vergabeverfahren weitergegeben. Die Kündigung der Mitarbeitenden der Antragstellerin sei bereits zum 16. Dezember 2023 erfolgt. Mit der Beigeladenen habe die vorgenannte Mitarbeiterin der Antragsgegnerin erstmals Kontakt aufgenommen, nachdem die Antragsgegnerin die Informationsschreiben gemäß § 134 GWB verschickt habe und alle Bieter gewusst hätten, dass die Beigeladene den Auftrag in beiden Losen erhalten solle. Die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin, die mit den Mitarbeitenden der Antragstellerin und der Beigeladenen in Kontakt getreten sei, sei bei den Kulturbetrieben beschäftigt und habe auf den Ausgang des Verfahrens keinen Einfluss gehabt. Die Antragsgegnerin führte in der mündlichen Verhandlung ergänzend aus, dass die Vergabestelle eine von der Fachstelle unabhängige Entscheidung treffe. Es handele sich eher um eine Anhörung des Fachbereichs als eine tatsächliche Mitwirkung im Vergabeverfahren. Die Mitarbeiterin aus dem Kulturbereich sei lediglich bemüht gewesen, langjährige und bewährte Mitarbeitende, die eine Kündigung erhalten hätten, zu erhalten. Bei der Einreichung von Blankobewerbungen handele es sich um eine langjährige Praxis, welche die Antragsgegnerin unter anderem bei der Beauftragung der Antragstellerin vor vier Jahren analog gehandhabt habe. Zwischen der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin und den Mitarbeitenden der Antragstellerin hätten keine Gespräche stattgefunden, die in irgendeiner Weise als "für" oder "gegen" die Antragstellerin wirkende Handlungen gewertet werden könnten.
Ein Interessenkonflikt sei nicht daraus abzuleiten, dass die Antragsgegnerin auf die Rügeschreiben der Antragstellerin nicht reagiert habe. Eine Stellungnahme sei nur wegen des engen zeitlichen Rahmens nicht erfolgt. Auch der zweiten Rüge vom 2. Dezember 2023 habe die Antragsgegnerin nicht abhelfen können, weil hierfür die von der Antragstellerin gesetzte Frist zu kurz gewesen sei.
Die Beigeladene stellte keinen Antrag.
Der Vorsitzende hat die Entscheidungsfrist nach § 167 GWB mit Schreiben vom 21. Dezember 2023 bis Ablauf des 29. Februar 2024 verlängert. Am 2. Februar 2024 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden.
II.
1. Die Vergabekammer Westfalen ist zuständig. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus §§ 159 Abs. 3 Satz 1 GWB, 2 Abs. 2 VK ZustV NRW, da die Antragsgegnerin ihren Sitz im räumlichen Bezirk der Vergabekammer Westfalen hat. Die Vergabekammer ist sachlich zuständig im Sinne des § 155 GWB, da die Antragsgegnerin als Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeberin nach § 99 Nr. 1 GWB ist und die aus der Rahmenvereinbarung abgerufene Sicherheitsdienstleistung oberhalb des für Dienstleistungen erforderlichen Schwellenwertes liegt, §§ 106 Abs. 2 Nr. 1, 1. Hs. GWB, Art. 4 der Richtlinie 2014/24/EU in Verbindung mit Art. 1 Nr. 1 c) der delegierten Verordnung 2021/1952/EU, 3 Abs. 4 VgV.
2. Der teilweise zulässige Nachprüfungsantrag hat Erfolg, da er begründet ist.
2.1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit die Antragstellerin zur fehlenden Angabe einer Höchstmenge der Rahmenvereinbarung und zur Voreingenommenheit der Antragsgegnerin vorträgt.
a. Insoweit hat die Antragstellerin ihr Interesse am Auftrag nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB durch Abgabe ihres Angebots vom 23. Oktober 2023 hinreichend dokumentiert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 18.08.2021 - Verg 52/20).
Es erscheint möglich, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in der Rahmenvereinbarung sowie die exklusive Kommunikation zwischen einer Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Fachbereich "Kultur" mit der Beigeladenen vor Zuschlagserteilung die Antragstellerin in ihrem Anspruch auf ein transparentes, nichtdiskriminierendes Vergabeverfahren insbesondere aus § 97 Abs. 6, 2 und 1 GWB verletzt. Die unterbliebene Angabe der Höchstmenge verletzt möglicherweise Gleichbehandlungsund Transparenzgrundsatz, da die Antragstellerin ohne die vorgenannte Information nicht abschätzen kann, ob sie den Auftrag überhaupt erfüllen können wird. Die exkluSive Kommunikation mit der Beigeladenen stellt möglichetweise einen Verstoß gegen § 6 VgV dar, sofern bei der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin tatsächlich ein Interessenkonflikt bestand. Dies ist indes eine Frage der Begründetheit.
Der Antragstellerin entsteht durch die benannten Vergabeverstöße ein Schaden. Es ist nicht auszuschließen, dass sich bei angegebener Höchstmenge die Zuschlagschancen der Antragstellerin erhöht hätten. Denn zum einen hätte sie näher am tatsächlichen Bedarf kalkulieren können. Zum anderen erscheint es möglich, dass Mitbewerber ihre fehlende Leistungsfähigkeit erkannt hätten, der Wettbewerbsdruck für die Antragstellerin also abgenommen hätte. Ebenso kann sich ein Interessenkonflikt auf die Zuschlagschancen, insbesondere die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin ausgewirkt haben. Dies insbesondere, da dem Fachbereich "Kultur" die Angebote zur Auskömmlichkeitsprüfung vorlagen.
Eine Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB scheidet im vorgenannten Umfang aus.
Der Nachprüfungsantrag ist in Bezug auf den geltend gemachten Interessenkonflikt nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB unzulässig. Die Antragstellerin hat erst auf Grundlage der E-Mails insbesondere vom 27. November 2023 erkannt, dass die vorbenannte Mitarbeiterin der Antragsgegnerin die Beigeladene mit der Vervollständigung von Bewerbungen unterstützt haben könnte. Dies hat sie innerhalb der 10-Tages-Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB am 28. November 2023 gerügt.
Auf den 3. November 2023, an dem die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Kulturbereich auf die Frage der Antragstellerin antwortete, warum diese ihre Mitarbeiter abwerbe, ist hingegen - zumindest vor dem Hintergrund eines möglichen Interessenkonflikts - nicht abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt war für die Antragstellerin nur erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihre Mitarbeiter zur Abgabe von Blankobewerbungen aufgefordert hat. Eine einen Interessenkonflikt möglicherweise begründende Nähe zur Beigeladenen ergibt sich indes erst aus der Überlegung, die Bewerbungen der Mitarbeiter der Antragstellerin mit deren Unterlagen zu vervollständigen und im Anschluss der Beigeladenen zu übergeben.
Die fehlende Angabe der Höchstmenge führt nicht zur Unzulässigkeit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB. Diese ist einem durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden (objektiven) Bieter nicht erkennbar.
Ein Vergaberechtsverstoß ist für den vorgenannten Personenkreis erkennbar, wenn dieser Zugang zu den den Vergaberechtsverstoß begründenden Tatsachen hat und nach (zumindest laienhafter) rechtlicher Bewertung einen solchen feststellen kann (vgl. BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023, Verg 5/22; OLG Frankfurt, Beschluss vom 30. März 2021; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Januar 2020, Verg 20/19 und Beschluss vom 11. Juli 2018, Verg 24/18 m.w.N.). Bei der Feststellung des Vergaberechtsverstoßes ist kein zu strenger Maßstab anzulegen: Für einen objektiven Bieter genügt es, wenn er auch ohne Einbeziehung einer rechtlichen Beratung einen Widerspruch oder eine Unstimmigkeit in den Vergabeunterlagen ausmacht (vgl. VK Westfalen, Beschluss vom 15. Juni 2022, VK 1-10/22). Ob er diese rechtlich zutreffend subsumieren kann, ist hingegen unerheblich. Maßgeblich ist vielmehr, ob sich ihm der Verstoß bei der Vorbereitung seines Angebots bzw. seiner Bewerbung aufdrängt bzw. nach der Diktion des OLG Düsseldorf Beschluss vom 3. August 2011, Verg 30/11 ins Auge fällt. Dabei ist zu beachten, dass ein Durchschnittsbieter weder umfassend die vergaberechtliche Literatur noch im Einzelnen die Rechtsprechung zur Auslegung der maßgeblichen Bestimmungen kennen muss (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22).
Obwohl ein Durchschnittsbieter, der an der Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung teilnimmt, um das nicht eindeutig festgelegte Auftragsvolumen nach § 21 Abs. 1 Satz 2 VgV und die damit verbundenen Ungewissheiten bei der Kalkulation wissen muss, ist für ihn nach einer zumindest laienhaft rechtlichen Bewertung nicht erkennbar, dass die fehlende Angabe der Höchstmenge in rechtlicher Hinsicht einen Vergaberechtsverstoß darstellt. Die Rechtswidrigkeit ergibt sich erst aus einer Auslegung des Gleichheits- und des Transparenzgrundsatzes (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22) und begründet sich mit dem nicht zumutbaren und unüberschaubaren Risiko, das einer nicht begrenzten Rahmenvereinbarung immanent ist (EuGH, Beschluss vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20). Gegen die Erkennbarkeit spricht schließlich, dass einem Durchschnittsbieter der Vergabeverstoß nicht zufällig beim Studium der Vergabeunterlagen auffallen kann, da erst das Fehlen der Information den Vergabeverstoß begründet. Es bedarf mit anderen Worten rechtlicher Beratung und Auswertung der Vergabeunterlagen (vgl. OLG Koblenz m.w.N.).
Dass die Antragstellerin in ihrem Angebot Eventualpreispositionen, wie Spontanbewachungen und Sonderveranstaltungen (siehe in der Preisabfrage jeweils die Ziffern 7 bis 18 des jeweiligen Bewachungsobjektes) eingepreist hat, führt entgegen der von der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung zu keinem anderen Ergebnis. Bei der von der Antragstellerin angegeben Stundenzahl handelt es sich weiterhin um einen Schätzwert. Ob ein Angebot diesen über- oder unterschreitet, ist dem Durchschnittsbieter nicht erkennbar.
2.2. Im Übrigen ist der Nachprüfungsantrag unzulässig.
a. Soweit die Antragstellerin zur fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen vorträgt, fehlt ihr die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB. Denn unabhängig davon, dass den Bestimmungen über die Eignungsanforderungen drittschützende Wirkung zukommt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Mai 2011 - Verg 26/11) und ein Mitbewerber überprüfen lassen kann, ob der öffentliche Auftraggeber die Eignung eines Konkurrenten zu Unrecht angenommen hat (vgl. VK Bund, Beschluss vom 27. August 2018, VK 2-72/18), hat die Antragstellerin nicht hinreichend substantiiert zur Nichtbeachtung von Vergabevorschriften nach § 97 Abs. 6 GWB vorgetragen.
Ein hinreichend substantiierter Vortrag setzt eine schlüssige und hinreichend konkrete Behauptung der Antragstellerin voraus, welche vergaberechtlichen Vorschriften im Verlauf des Vergabeverfahrens verletzt worden sein sollen und dass sie ohne die Rechtsverletzung eine Chance auf Erteilung des Zuschlags hätte, so dass der behauptete eingetretene oder drohende Schaden auf die Verletzung vergaberechtlicher Vorschriften zurückzuführen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 18. April 2004, X ZB 7/04). Schlüssigkeit im vergaberechtlichen Sinne meint keine Schlüssigkeit im zivilprozessualen Sinne; Vielmehr ist der Begriff weiter und untechnischer zu verstehen (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 1. September 2021, 17 Verg 2/21). Es geht - angelehnt an S 42 Abs. 2 VwGO - um die Möglichkeit einer Rechtsverletzung (vgl. OLG Rostock, aaO).
Da ein Bieter häufig nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er auf der Grundlage dieses - oft nur beschränkten - Informationsstandes behaupten, was er redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergaberechtsverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2023, 11 Verg 3/23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. April 2020, Verg 30/19). Der Antragsteller muss aber - wenn sich der Vergaberechtsverstoß nicht vollständig seiner Einsichtsmöglichkeit entzieht - zumindest tatsächliche Anhaltspunkte oder Indizien vortragen, die einen hinreichenden Verdacht auf einen bestimmten Vergaberechtsverstoß begründen (vgl. aaO m.w.N.). Da die Rüge einerseits den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzen soll, einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren, und andererseits Zugangsvoraussetzung zum Nachprüfungsverfahren ist, ist es unabdingbar, dass der Antragsteller - um unnötige Verzögerungen des Vergabeverfahrens zu vermeiden und einem Missbrauch des Nachprüfungsverfahrens vorzubeugen - bereits frühzeitig diejenigen Umstände benennt, aufgrund derer er vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ausgeht (vgl. aaO). Ein Mindestmaß an Substantiierung ist indes einzuhalten; reine Vermutungen zu eventuellen Vergabeverstößen reichen nicht aus (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Juli 2023 und Beschluss vom 09. Juli 2020, 11 Verg 5/10). Vor diesem Hintergrund genügen bloße Vermutungen nicht (vgl. OLG Düsseldorf, aaO). Daher ist der Antragsteller gehalten, schon bei Prüfung der Frage, ob ein Vergaberechtsverstoß zu rügen ist, Erkenntnisquellen auszuschöpfen, die ihm ohne großen Aufwand zur Verfügung stehen. Zudem muss er, um eine Überprüfung zu ermöglichen, angeben, woher seine Erkenntnisse stammen (vgl. OLG Düsseldorf, aaO).
Eine Rechtsverletzung scheidet aus, soweit die Antragsgegnerin die fehlende Leistungsfähigkeit der Beigeladenen auf vermeintlich unzureichende Referenzen stützt. Anders als die Antragstellerin meint, mussten Bieter keine Erfahrungen bei der Sicherung von Museen und Kultureinrichtungen referenzieren. Weder aus der Bekanntmachung noch aus den Vergabeunterlagen ergibt sich eine derartige Einschränkung. Nach der Bekanntmachung genügte
"eine Liste der in den letzten drei Jahren erbrachten wesentlichen Liefer- oder Dienstleistungen, mit Angabe des Werts, des Liefer- bzw. Erbringungszeitpunkts sowie des öffentlichen oder privaten Empfängers."
Nach dem eindeutigen und folglich keiner Auslegung bedürftigen Wortlaut des Teilnahmeantrags bezog sich die Vergleichbarkeit der Referenzaufträge nur auf den Stundenumfang und nicht auf den Einsatzbereich. Es ging der Antragsgegnerin um den Nachweis "von der Größenordnung [...] vergleichbaren" Erfahrungen, nicht um Erfahrungen bei der Sicherung von Museen und Kultureinrichtungen.
Die Vermutung der Antragstellerin, die Beigeladene habe nur 21 Mitarbeiter, reicht für die schlüssige Begründung der fehlenden Leistungsfähigkeit der Beigeladenen und damit verbunden einer Rechtsverletzung zu Lasten der Antragstellerin nicht aus. Bereits nach den Informationen des (frei zugänglichen) Internetauftritts der Beigeladenen ist davon auszugehen, dass diese ihr Personal seit 2020 vergrößert haben muss. Es ist nach allgemeinen betriebswirtschaftlichen Erwägungen nicht plausibel, dass die Beigeladene 20 Mitarbeiter von zwei Standorten aus verwalten und für diesen geringen Personalstamm sogar eine eigene Ausbildungsakademie vorhalten soll.
Schließlich ist der Vortrag der Antragstellerin unsubstantiiert, soweit sie die fehlende Leistungsfähigkeit der Beigeladenen mit seit dem Jahr 2020 nicht auffindbaren Unternehmensbilanzen belegen will. Es ist nicht nachvollziehbar, welche Erkenntnisquellen die Antragstellerin ausgeschöpft hat und ob diese Erkenntnisquellen die benötigten Informationen überhaupt enthalten müssen.
b. Es fehlt an einer schlüssig vorgetragenen Rechtsverletzung im Sinne des § 160 Abs. 2 Satz 1 GWB, soweit die Antragstellerin aus Ziffer IV. 1.3) der Bekanntmachung entnehmen will, dass der Zuschlag an die beiden bestplatzierten Bieter gehen müsse. Da einziges Zuschlagskriterium der Preis ist (siehe Ziffer 11.2.5 der Bekanntmachung) erhält in jedem Los ausschließlich das Unternehmen mit dem preislich günstigsten Angebot den Zuschlag. Dass die "geplante Höchstanzahl an Beteiligten der Rahmenvereinbarung" mit "2" benannt ist, ergibt sich schlichtweg aus der Aufteilung des Auftrags in zwei Lose.
c. Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB, da die Antragstellerin die Ausgestaltung der Preisblätter erst nach Angebotsabgabefrist gerügt hat. Insbesondere musste einem durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden (objektiven) Bieter (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22) bereits bei der Angebotserstellung auffallen, dass die Preisblätter in Bezug auf die verschiedenen zu sichernden Objekte einen unterschiedlichen Leistungsumfang abfragten und dieser zumindest beim ###-Haus nicht mit den Vorgaben der Leistungsbeschreibung übereinstimmte.
Ein objektiver Bieter hätte erkennen müssen, dass die Preisblätter für die verschiedenen zu sichernden Objekte unterschiedlich sind und hinsichtlich des Leistungsumfangs voneinander abweichen. Im Rahmen der Angebotserstellung müssen sich die Bieter intensiv mit den Preisblättern auseinandersetzen. Zu dieser Auseinandersetzung gehört insbesondere auch ein Abgleich der Preisblätter mit dem in der Leistungsbeschreibung vorgesehenen Stundenumfang. Nur auf Grundlage der Preisblätter erschließt sich der Leistungsinhalt regelmäßig nicht. Dies ist indes die maßgebliche Voraussetzung für die Erstellung eines Angebots, da nur bei Kenntnis von Leistungsbeschreibung und Preisblatt sowohl eine Aussage zum einzusetzenden Personal als auch zum Umfang der zu erbringenden Leistungen zu treffen ist. Dass sich die Beschränkung des Leistungsumfangs auf ein Jahr anders als in der Leistungsbeschreibung zur Sicherung der ### nicht in der Leistungsbeschreibung zum ###-Haus wiederfindet, ist unerheblich. Die Antragstellerin konnte erkennen, dass der vorgegebene Leistungszeitraum vom 1. Oktober 2023 bis Ablauf des 30. September 2024 in Bezug auf die Sicherung des ###-Hauses in der Leistungsbeschreibung nicht enthalten ist.
3. Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er begründet.
3.1. Indem die Antragsgegnerin die Rahmenvereinbarung ohne Angabe einer Höchstmenge ausgeschrieben hat, verletzt sie den Anspruch der Antragstellerin auf ein transparentes, alle Bieter gleich behandelndes Vergabeverfahren, § 97 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GWB.
Ausgehend von Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz muss die Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung sowohl die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwerts als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert sowie den Hinweis enthalten, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021 - Rs. C-23/20 und hieran anknüpfend OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Dezember 2022, Verg 3/22; andere Auffassung noch die am Wortlaut des S 21 VgV orientierte Rechtsprechung des KG Berlin, Beschluss vom 20. März 2020, Verg 7/19 und der VK Bund, Beschluss vom 19. Juli 2019, VK 1-39/19). Dies ist erforderlich, da der Bieter erst auf Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen kann (vgl. EuGH aaO). Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, könnten sich öffentliche Auftraggeber zudem über diese Höchstmenge hinwegsetzen (vgl. EuGH aaO). Dann könnten Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht leisten könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung und/oder den Vergabeunterlagen überschreiten (vgl. EuGH aaO).
Diesen Anforderungen genügen Bekanntmachung und Vergabeunterlagen nicht.
Aus der Bekanntmachung ergibt sich nur der Hinweis, dass der zu vergebende Auftrag eine Rahmenvereinbarung betrifft und dass der Auftrag zeitlich auf ein Jahr (mit der Möglichkeit zur dreimaligen Verlängerung um jeweils ein weiteres Jahr) begrenzt ist.
Die Vergabeunterlagen enthalten ebenfalls keine Angabe eines Höchstwerts. Im Gegenteil weist die Antragsgegnerin in den "Besondere[n] Vertragsbedingungen für Sicherheitsdienstleistungen für die Kulturbetriebe [der Antragsgegnerin]" unter der Überschrift "Kalkulation - Mehrleistung", Ziffer VI.3 darauf hin, dass die Über- sowie Unterschreitung der in den Preisblättern geforderten Mengenangaben möglich ist. Auf dieser Grundlage kann ein Bieter keine verlässliche Aussage zu seiner Leistungsfähigkeit treffen.
3.2. Aufgrund der unterbliebenen Angabe der Höchstmenge war die Antragsgegnerin zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Die Antragsgegnerin kann die fehlende Angabe der Höchstmenge nur korrigieren, indem sie die Bekanntmachung überarbeitet. Denn bereits aus der Bekanntmachung muss sich für den Bieterkreis die Schätz- und Höchstmenge einer Rahmenvereinbarung ergeben, damit dieser seine Leistungsfähigkeit beurteilen und entscheiden kann, ob er an dem Vergabeverfahren teilnimmt (vgl. EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20).
3.3. Da die fehlende Angabe der Höchstmenge der Rahmenvereinbarung bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf bereits die Rückversetzung des Vergabeverfahrens bis in den Stand vor Bekanntmachung erforderlich macht, brauchte die Kammer nicht zu entscheiden, ob der nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV vermutete Interessenkonflikt der Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus dem Kulturbereich unmittelbar einen Vergabeverstoß nach § 6 Abs. 1 VgV in dem diesem Nachprüfungsverfahren zu Grunde liegenden Vergabeverfahren begründet. Indes weist die Kammer unter Bezugnahme auf § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB darauf hin, dass die erneute Mitwirkung der vorgenannten Person an einem zurückversetzten Vergabeverfahren einen weiteren Vergabeverstoß begründen kann.
Schließlich ist bereits für die Mitwirkung in diesem Vergabeverfahren ein Interessenkonflikt nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 VgV zu vermuten, da die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin aus EB 41 die Beigeladene "sonst unterstützt" hat. Da die Antragsgegnerin diese Vermutung nicht widerlegt hat, ist nicht auszuschließen, dass eine erneute Mitwirkung zu einer voreingenommenen Vergabeentscheidung führt.
a. "Sonst unterstützt" erfasst eine Tätigkeit auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers, die einen Bewerber oder Bieter fördert (vgl. Dreher/Hoffmann, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 6 VgV Rn. 39). Dabei genügt nicht jedwedes Tätigwerden, wie etwa die bloße positive Äußerung über einen Mitbewerber in einem Zeitungsinterview (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 9. April 2009, 13 Verg 7/08; vgl. auch VK Bund, Beschluss vom 30. Juni 2021, VK 1-58/21). Die Förderung muss dem Beraten (§ 6 Abs. 3 Nr. 2, 1. Alt. VgV) in seiner Intensität gleichstehen (vgl. OLG Celle aaO) und sich unmittelbar auf das Vergabeverfahren auswirken. Dies ergibt sich zum einen aus dem Gesetzeswortlaut ("in dem Vergabeverfahren"), weiterhin aber auch aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift: S 6 VgV geht es darum, die Neutralität des öffentlichen Auftraggebers zu bewahren und willkürlichem/wettbewerbsschädlichem Verhalten vorzubeugen (vgl. Dreher/Hoffmann, in: Beck'scher Vergaberechtskommentar, § 6 VgV Rn. 8). Diese Neutralität ist jedenfalls nicht gewahrt, wenn eine voreingenommene Person an verfahrenslenkenden Entscheidungen, wie beispielsweise bei der Auswahl von Bietern in einem Teilnahmewettbewerb, bei Zuschlagsentscheidungen etc. mitwirkt, womit eine Verfälschung des Auswahlprozesses einhergehen kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. März 2018, 11 Verg 16/17). Abseits der Teilnahme an verfahrenslenkenden Entscheidungen kann auch die Teilnahme an Besprechungen, die Verhandlung mit Bietern (vgl. zu § 16 VgV a.F. Meißner, in: Vergaberecht 2009, 618) oder ein sonstiges Tätigwerden eine Voreingenommenheit begründen, sofern die Unterstützungshandlung hinreichend intensiv ist und den Eindruck fehlender Neutralität des Entscheidungsträgers entstehen lässt.
Spätestens indem die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin mit E-Mail vom 27. November 2023, 7:58 Uhr erklärt, die für die Beigeladene vorgesehenen, unvollständigen Blankobewerbungen mit den Unterlagen der Antragstellerin "auf[zu]stocken" und diese im Anschluss der Beigeladenen zu übergeben, liegt eine Unterstützungshandlung vor. Denn unabhängig davon, dass die Beigeladene ausweislich ihres Teilnahmeantrags (und anders als von der Antragstellerin vorgetragen) das Personal nicht zur Herstellung ihrer Leistungsfähigkeit benötigt, erleichtert das Personalangebot der Antragsgegnerin der Beigeladenen den Verwaltungsaufwand bei der Personalakquise. Weiterhin liegt eine Unterstützung darin, dass die Vorstellungsgespräche in den Räumlichkeiten der Antragsgegnerin und nicht bei der Beigeladenen selbst stattfinden. Mit beidem übernimmt die Mitarbeiterin der Antragsgegnerin originär der Beigeladenen zufallende Aufgaben, sodass zumindest der Eindruck eines Verstoßes gegen die aus dem allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz nach § 97 Abs. 2 GWB abzuleitende Neutralitätspflicht entsteht (vgl. Greb, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, S 6 VgV Rn. 3).
b. Die Vermutung eines Interessenkonflikts hat die Antragsgegnerin nicht widerlegt. Insbesondere rechtfertigt die bei der Antragsgegnerin durchgeführte, gängige Praxis einer besonderen Eilbedürftigkeit und die Kontinuität der Leistungserbringung keine derartige Nähe zur Zuschlagsprätendentin vor Zuschlagserteilung.
Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer betragen 2.955,60 Euro. Kostenpflichtig ist gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB die (kostenbefreite) Antragsgegnerin als unterlegene Beteiligte. Diese hat auch die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aumendungen der Antragstellerin zu tragen.
Gemäß § 182 Abs. 1 GWB werden für Amtshandlungen der Vergabekammer Kosten (Gebühren und Auslagen) zur Deckung des Verwaltungsaufwandes erhoben. Das Verwaltungskostengesetz vom 23. Juni 1970 (BGBI. l. S. 821) in der am 14. August 2013 geltenden Fassung ist anzuwenden.
Die Gebühr beträgt gemäß § 182 Abs. 2 GWB mindestens 2.500 Euro. Die Gebühr soll den Betrag von 50.000 Euro nicht überschreiten; sie kann im Einzelfall, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch ist, bis zu einem Betrag von 100.000 Euro erhöht werden.
Grundlage für die Kostenermittlung ist die Gebührentabelle des Bundes und der Länder für Nachprüfungsverfahren.
Ausgehend von dem von der Antragsgegnerin geschätzten Auftragswert beträgt die Gebühr 2.955,60 Euro.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten als unterlegene Beteiligte nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB.
3. Die Antragsgegnerin ist als juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 182 Abs. 1 GWB in Verbindung mit S 8 Abs. 1 Nr. 2 des Verwaltungskostengesetzes des Bundes von den Gebühren befreit.
4. Sie hat als unterlegene Beteiligte die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auflagen der Antragstellerin nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB zu tragen. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung war wegen der Komplexität der vergaberechtlichen Fragestellungen notwendig. Dies gilt insbesondere in Zusammenhang mit der Frage, ob die fehlende Angabe einer Höchstmenge einen Vergabeverstoß darstellt. Dieser ergibt sich erst aus der Rechtsprechung des EuGH, Urteil vom 17. Juni 2021, Rs. C-23/20, die den Vergabeverstoß nicht aus dem Wortlaut des Art. 33 2014/24/EU ableitet, sondern aus den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz sowie der allgemeinen Systematik der vorgenannten Richtlinie. Daneben ist das Nachprüfungsverfahren gerichtsähnlich konzipiert, so dass auch prozessuale Kenntnisse erforderlich sind, um eigene Rechte wirksam wahren zu können.
Rechtsbehelfsbelehrung
(...)
Wertung nach dem "Alles-oder-nichts-Prinzip" ist vergaberechtswid...
Wertung nach dem "Alles-oder-nichts-Prinzip" ist vergaberechtswidrig!
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VK Bund
Beschluss
vom 07.12.2023
VK 2-82/23
1. Eine Wertungsmethode, nach der das Angebot mit der höchsten Punktzahl fünf Punkte und das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl null Punkte erhält, ist vergaberechtswidrig, weil generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis jedenfalls dann nicht korrekt ermittelt werden kann, wenn nur zwei Angebote vorliegen.
2. Erkennbare Vergaberechgerechtsverstöße sind zu rügen. Erkennbar sind solche Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen, mithin fachkundigen, Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können.
3. Einer üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnissen entspricht es jedenfalls, dass ein Bieter die für die Kalkulation seines Angebots relevanten Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Kenntnis nimmt und aufmerksam aufarbeitet. Dazu gehört die Befassung mit den für die Zuschlagserteilung relevanten Vorgaben.
4. Dass Wertungskriterien hinreichend bestimmt und diskriminierungsfrei sein müssen, damit Angebote vergleichbar sind und kalkuliert werden können, ist ein durchschnittlichen Bietern allgemein bekannter vergaberechtlicher Grundsatz.
5. Geht es im Vergabenachprüfungsverfahren um die korrekte Anwendung der vom Auftraggeber vorgegebenen Wertzungskriterien und damit um Fragen der Anwendung des Vergaberechts, die zum originären Aufgabenkreis des Auftraggebers als Vergabestelle gehören, ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht notwendig.
In dem Nachprüfungsverfahren
(...)
wegen der Vergabe "Entwurfsplanung für drei Überführungsbauwerke [...],
hat die 2. Vergabekammer des Bundes auf die mündliche Verhandlung vom 22. November 2023 am 7. Dezember 2023
beschlossen:
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Kosten und Auslagen) sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin.
Gründe:
I.
1. Die Antragsgegnerin (Ag) machte am 5. Juni 2023 die beabsichtigte Vergabe "Entwurfsplanung für drei Überführungsbauwerke [...]" im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb im Supplement zum Amtsblatt der EU unionsweit bekannt. Zwischen [...] und der [...] sollen drei in die Zuständigkeit der Ag fallende Brückenbauwerke über die [...] erneuert werden, das sind [...]. Die Fertigstellung aller Ersatzbauten soll bis Ende 2027 erfolgt sein.
Der Bekanntmachung zufolge sollten im Anschluss an den Teilnahmewettbewerb mindestens drei, maximal fünf Teilnehmer zur Angebotsabgabe aufgefordert werden. Die Ag forderte nach Abschluss der Auswertung der Teilnahmeanträge unter dem 07. August 2023 drei Unternehmen, die Antragstellerin (ASt), die Beigeladene (Bg) und einen weiteren Anbieter zur Abgabe eines Erstangebots bis zum 20. September 2023 auf.
Dem beigefügten Formblatt "EU-Aufforderung Erstangebotsabgabe/Verhandlung" ([...]) war zu entnehmen, dass Zuschlagskriterien der Preis (Wichtung 40 %) und "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt [...]" (Wichtung 60 %) waren. Bei der Wertung des Preises (Kriterium 1) sollte das günstigste Angebot 5 Punkte, ein fiktives Angebot mit dem 2,0-fachen des niedrigsten Preises 0 Punkte erhalten. Bei den dazwischen liegenden Angeboten sollte eine Interpolation erfolgen mit bis zu 3 Nachkommastellen.
Zum Kriterium "Projektspezifische Lösungsansätze mit dem Schwerpunkt [...]" (Kriterium 2) ging aus dem Formblatt hervor:
"Die Erläuterungskonzepte mit dem Schwerpunkt "[...]" werden wie folgt gewertet:
Mit hoch bewertet werden:
- Analysieren der Randbedingungen und Zwangspunkte 0-5 Punkte;
- Erkennen der Aufgabenstellung 0-5 Punkte;
- Sachgerechte Rückschlüsse 0-5 Punkte;
- Gestaltung des Brückenbauwerks 0-5 Punkte;
- Innovative Bauweisen 0-5 Punkte;
Gesamtpunkte: max. 25 Punkte.
Die Wertung der Einzelkriterien erfolgt in einer Spanne von 0-5 Punkten, wobei nur volle Punktzahlen vergeben werden.
Die Wertung erfolgt unabhängig voneinander durch drei Ingenieure der Bauabteilung. Aus der Gesamtsumme der drei Einzelwertungen wird das arithmetische Mittel gebildet. Der Bewerber mit der höchsten Punktzahl erhält 5 Punkte. Der Bewerber mit der niedrigsten Punktzahl erhält 0 Punkte. Dazwischen wird linear interpoliert und mathematisch auf volle Punkte aufgerundet."
Dem Formblatt zufolge behielt die Ag sich vor, den Auftrag auf der Grundlage der Erstangebote zu vergeben, ohne in Verhandlungen einzutreten.
Die dem Formblatt als Anlage beigefügte Leistungsbeschreibung machte zu jeder der drei Brückenbaumaßnahmen detaillierte Angaben zu den Bauwerkskenndaten. Darüber hinaus fanden sich konkrete Vorgaben insbesondere zur Verkehrsführung und zur Gestaltung der jeweiligen Bauwerke. Durch Unterstreichung besonders hervorgehoben war die folgende Vorgabe:
"In den Planungen ist ein maximaler Vorfertigungsgrad der Unterbauten und des Überbaus vorzusehen. Die Planung von innovativen Bauverfahren zur Erreichung des Ziels sind ausdrücklich erwünscht und vorzusehen.....Die Entwurfsplanung darf keine patent- oder urheberrechtlich geschützten Bauverfahren, Bauelemente oder Bauteile beinhalten, die bei der späteren Vergabe der Bauleistung einen Auftragnehmer-Bau bevorzugt, oder diesem einen Vorteil gegenüber anderen Mitbietern gewährt."
ASt und Bg gaben fristgerecht ein Angebot ab. Nach der vorliegenden Angebotswertung war das Angebot der ASt zwar das preisgünstigste, erhielt bei der Wertung des Kriteriums 2 jedoch nur 0 Punkte. Im Formular "Angebotswertung Kriterium 2 - Zusammenfassung" begründete die Ag die diesbezügliche Wertung damit, dass das Angebot der ASt schlechter bewertet worden sei als das Angebot der Bg; da insgesamt nur zwei Angebote abgegeben worden seien, sei auf eine Interpolation der Wertungspunkte verzichtet worden.
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 teilte die Ag der ASt gem. § 134 GWB ihre Absicht mit, den Zuschlag auf das Angebot der Bg erteilen zu wollen. Nach der vorliegenden Angebotswertung habe dieses Angebot eine höhere Gesamtpunktzahl erreicht.
Auf das Ersuchen der ASt hin, ihr nähere Informationen zur Wertung des Kriteriums 2 zu geben, stellte die Ag ihr eine Tabelle mit der Angebotswertung zur Verfügung, der sich die Einzelwertungen der 3 Juroren entnehmen ließen. Als Argument für die im Vergleich zur Bg geringere Bewertung wird darin u.a. bei zwei Unterkriterien angeführt, das Angebot der ASt sei ein Plagiat der patent- bzw. urheberrechtlich geschützten [...].
Die ASt rügte mit Schreiben vom 13. Oktober 2023 die Angebotswertung. Darin machte sie u.a. geltend, die Annahme der Juroren, bei den eingereichten Plänen handele es sich um ein Plagiat der [...], sei ebenso unzutreffend wie die Annahme, das entsprechende Bauverfahren sei patent- bzw. urheberrechtlich geschützt. Mit Schreiben vom 19. Oktober 2023 rügte die ASt ergänzend die unterbliebene Interpolation. Darüber hinaus sei die Wertungssystematik bzgl. des Kriteriums 2 in denjenigen Fällen vergaberechtswidrig, in denen - wie hier - nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben. Das unterlegene Angebot erhalte selbst bei geringsten qualitativen Unterschieden zum führenden Angebot nur 0 Punkte. Zur Begründung für ihre Auffassung verwies die ASt auf eine Entscheidung des OLG Düsseldorf vom 22. Januar 2014 (Verg 26/13).
In einem Schreiben vom 19. Oktober 2023 lehnte die Ag es ab, dem Vorbringen der ASt abzuhelfen. Mit der Einschätzung der Juroren, das Angebot der ASt stelle ein Plagiat dar, habe lediglich zum Ausdruck gebracht werden sollen, dass es dem Konzept der ASt an Eigenständigkeit fehle und die Ursprünge des Konzepts nicht nachvollziehbar seien.
2. Mit einem am 20. Oktober 2023 bei der Vergabekammer des Bundes eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten stellte die ASt einen Nachprüfungsantrag, welchen die Vergabekammer der Ag am selben Tag übermittelte.
a) Die ASt meint, der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Der Ansicht von Ag und Bg, die ASt habe ihren Rügeobliegenheiten nicht genügt, sei nicht zu folgen. Davon, dass nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben, habe sie erst durch das Schreiben der Ag vom 11. Oktober 2023 Kenntnis erlangt. Erst aus diesem Schreiben sei für sie erkennbar gewesen, dass ihr Angebot, entgegen der bekanntgemachten Wertungsmatrix, bei dem Kriterium 2 nicht interpoliert, sondern mit 0 Punkte bewertet worden sei. Für die ASt sei erst zu diesem Zeitpunkt die Tragweite der Wertungsmatrix bzgl. des Kriteriums 2 in Situationen erkennbar gewesen, in denen nur zwei Angebote vorliegen.
Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Unter Hinweis auf den Beschluss des OLG Düsseldorf vom 22. Januar 2014 trägt sie vor, dass die Wertungsmatrix in Fällen, in denen - wie vorliegend - nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben, ungeeignet sei, die Zuschlagsentscheidung zu begründen. Der Verzicht auf eine Interpolation in solchen Fällen habe zur Folge, dass das eine Angebot die volle Punktzahl (hier: 5 Punkte), das andere, unterlegene Angebot dagegen 0 Punkte erhalte. Eine solche "Alles oder Nichts"-Wertung führe zu einer disproportionalen Angebotswertung. Die von der Ag im anhängigen Nachprüfungsverfahren geäußerte Auffassung, die Rechtsprechung des OLG Düsseldorf sei durch eine neuere Rechtsprechung überholt, sei unzutreffend. Die von der Ag insoweit herangezogenen Entscheidungen des BGH (Beschluss vom 04. April 2017 - X ZB 3/17) sowie der erkennenden Vergabekammer (Beschluss vom 26. Juni 2018, VK 2-46/18) hätten sich mit der streitgegenständlichen Rechtsfrage unmittelbar nicht befassen müssen.
Bei der Wertung des Zuschlagskriteriums 2 seien die Juroren überdies in unzutreffender Weise davon ausgegangen, die ASt habe patentrechtlich bzw. urheberrechtlich geschützte Pläne der [...] eingereicht. Die Bauweise als solche sei aktuell nicht patentrechtlich geschützt. Außerdem sei das seinerzeit erstmals von der [...] zum Einsatz gebrachte [...] von einem Biege-Partner der ASt, der [...], entworfen worden. Die vorliegende Angebotswertung lasse vermuten, dass die Wertung insgesamt durch die unzutreffende Annahme negativ beeinflusst worden sei.
Die ASt beanstandet ferner, die Ag sei zu Unrecht davon ausgegangen, für die von ihr vorgeschlagene Lösung, [...], sei eine ZiE (d.h. eine Zulassung im Einzelfall) erforderlich. Fehl gehe die Ag darüber hinaus in der Annahme, sie habe die Stützweite von [...] nicht erkannt.
Nach erfolgter Akteneinsicht macht die ASt ergänzend geltend, der Vergabevermerk lasse vermuten, es seien nicht bekannt gemachte Wertungskriterien verwendet worden.
Die ASt beantragt,
1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 160 ff. GWB gegen die Ag anzuordnen,
2. der Ag zu untersagen, den Zuschlag auf das Angebot der Bg zu erteilen. Die Ag wird stattdessen verpflichtet, bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht die Prüfung und Wertung des Angebotes der ASt unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen.
Hilfsweise:
Die Ag zu verpflichten, bei fortbestehender Beschaffungsabsicht das Verfahren zurückzuversetzen und die Wertungsmatrix für die Angebotswertung zu ändern und das Verhandlungsverfahren unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen,
3. die Ag trägt die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der ASt,
4. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die ASt notwendig war,
5. Akteneinsicht gem. § 165 Abs. 1 GWB.
b) Die Ag beantragt,
1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen,
2. die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Ag der ASt aufzuerlegen,
3. die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag für notwendig zu erklären.
Nach Ansicht der Ag ist der Nachprüfungsantrag teilweise bereits unzulässig. Mit den gegen die Bewertungsmethode gerichteten Angriffen sei die ASt nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Die Bewertungsmethode sei den Anbietern spätestens mit Erhalt der Aufforderung zur Abgabe des Erstangebots vom 07. August 2023 bekannt gewesen, so dass etwaige Vergaberechtsfehler bereits zu diesem Zeitpunkt erkennbar gewesen seien. Es sei auch ohne weiteres erkennbar gewesen, dass die Situation eintreten könne, dass nur zwei Bieter Angebote abgeben und es so zu der von der ASt monierten disproportionalen Wertung kommen könne. Im Übrigen seien Konstellationen denkbar, in denen selbst bei Abgabe mehrerer Angebote 0 Punkte für die schlechteren Angebote zu vergeben gewesen wären.
Jedenfalls sei der Nachprüfungsantrag unbegründet. Die von der Ag zugrunde gelegte Wertungsmatrix sei vergaberechtskonform. Die von der ASt zur Stützung ihrer Rechtsansicht herangezogene Entscheidung des OLG Düsseldorf sei überholt. In der aktuellen Rechtsprechung sei anerkannt, dass die Auswahl und Festlegung der Zuschlagskriterien sowie deren Gewichtung einem weiten Bestimmungsrecht des Auftraggebers unterfielen, der von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar sei. Eine Bewertungsmethode, die - wie hier - dazu führen könne, dass im Falle von nur zwei eingegangenen Angeboten das schlechtere der beiden selbst bei nur minimalen Punkteabstand mit 0 Punkte bewertet werde, sei nicht per se vergaberechtswidrig. Nach der Rechtsprechung des BGH (Beschluss vom 04. April 2017 - X ZB 3/17) könnten Bewertungsmethoden im Einzelfall wettbewerbsverzerrende Wirkungen haben. Das sei u.a. dem Umstand geschuldet, dass Angebote im Quervergleich zu betrachten seien. Dem entsprechend habe die erkennende Vergabekammer in einem Beschluss vom 26. Juni 2018 (VK 2-46/18) darauf aufmerksam gemacht, dass keine Wertungsmethode existiere, die vollkommen frei von Friktionen oder potentiellen Verzerrungen durch das Angebotsverhalten anderer Bieter sei.
Im Ergebnis könne eine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Bewertungsmethode dahingestellt bleiben, weil auf das Angebot der ASt selbst dann nicht der Zuschlag zu erteilen gewesen wäre, wenn eine Interpolation der Wertungspunkte stattgefunden hätte. Eine Interpolation ändere nichts daran, dass das Angebot der ASt nur das Zweitplatzierte sei. Daher könne ausgeschlossen werden, dass der ASt durch den von ihr behaupteten Vergaberechtsverstoß ein Schaden entstanden sei.
Die Angebotswertung durch die Juroren sei frei von Beurteilungs- bzw. Ermessensfehlern. Die im Vergleich zur Bg schlechtere Bewertung des Konzepts der ASt sei maßgeblich darauf zurückzuführen, dass diese keine projektspezifischen Lösungen vorgeschlagen habe, sondern sich auf allgemeingültige Vorschläge beschränkt habe. Dabei habe die Einschätzung der Juroren, dass der Vorschlag der ASt ein Plagiat der [...] sei, keinen entscheidungserheblichen Einfluss auf die Wertungsentscheidung gehabt.
Zu Punktabzug habe auch nicht primär der Umstand geführt, dass die von der ASt vorgeschlagene Bauweise ([...]) eine ZiE erforderlich mache. Der Punktabzug sei vielmehr deshalb erfolgt, weil die ASt die Erforderlichkeit einer ZiE nicht erkannt habe.
c) Die mit Beschluss vom 24. Oktober 2023, berichtigt durch Beschluss vom 30. Oktober 2023, zum Verfahren hinzugezogene Bg stellt keine eigenen Anträge. Sie trägt vor, die ASt sei mit dem gegen die Wertungsmethode des Kriteriums 2 gerichteten Vorbringen präkludiert (§ 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB). Die Methodik sei der ASt bereits mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe bekannt gewesen.
Durch die Angebotswertung werde die ASt nicht in ihren Rechten verletzt. Selbst wenn zuträfe, dass die Ag zu Unrecht davon ausgegangen sei, die ASt habe ein patent- oder urheberrechtlich geschütztes Plagiat angeboten, habe die Ag die Angebotsprüfung im Lichte des Vorbringens der ASt wiederholt. Auch nach der erneuten Prüfung bleibe die Bieterreihenfolge unverändert.
3. Die Vergabekammer hat der ASt und der Bg nach Anhörung der Ag Einsicht in die Vergabeakte erteilt, soweit Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht betroffen waren. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Vergabeakte, soweit sie der Vergabekammer vorgelegen hat, sowie auf die Verfahrensakte der Vergabekammer wird verwiesen.
Die mündliche Verhandlung fand am 22. Oktober 2023 statt. Der Ag ist Schriftsatznachlass zur Vorlage eines Auszugs aus der in Anlage ASt 8 (d.h. Rügeantwort der Ag vom 19. Oktober 2023), unter "Zu Punkt 2", erwähnten RE-ING zur Erforderlichkeit einer ZiE gewährt worden. Die fünfwöchige Entscheidungsfrist nach § 167 Abs. 1 S. 1 GWB, die am 24. Oktober 2023 abgelaufen wäre, wurde durch Verfügung des stellvertretenden Vorsitzenden der Vergabekammer gemäß § 167 Abs. 1 S. 2 GWB bis zum 8. Dezember 2023 verlängert.
II.
Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.
a) Der Nachprüfungsantrag betrifft ein Vergabeverfahren zur Beschaffung von Planungsleistungen, der dem Bund zuzurechnen ist, §§ 98, 99 Nr. 2 GWB. Die Vergabekammer des Bundes ist daher zuständig, § 159 Abs. 1 Nr. 1 GWB.
b) Die ASt ist antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Das nach § 160 Abs. 1 Satz 1 GWB erforderliche Interesse am Auftrag hat die ASt durch ihre erfolgreiche Beteiligung am Teilnahmewettbewerb und die Abgabe eines Angebots hinreichend nachgewiesen. Aus ihren Darlegungen ergibt sich ohne Weiteres, dass sie die Verletzung bieterschützender Vorschriften über das Vergabeverfahren nach § 160 Abs. 2 Satz 1 i.V.m § 97 Abs. 6 GWB geltend macht. Sie hat zudem dargelegt, dass ihr als der zweitplatzierten Bieterin durch die behaupteten Verstöße gegen § 97 Abs. 1, 2 GWB ein Schaden in Gestalt des ihr entgehenden Zuschlags entsteht.
c) Die ASt hat die geltend gemachten Verstöße gegen das Vergaberecht rechtzeitig gerügt.
aa) Mit dem gegen die Wertungsmatrix und damit die Grundlagen der Ausschreibung gerichteten Vorbringen ist die ASt nicht nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert.
Nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Angebotsfrist, die am 20. September 2023 endete, gegenüber dem Auftraggeber gerügt wurden. Die behauptete Vergaberechtswidrigkeit hat die ASt erstmals mit Rügeschreiben vom 19. Oktober 2023 geltend gemacht. Die ASt bemängelt darin, dass das bekannt gemachte Wertungsschema ungeeignet sei, die Wertung von nur zwei eingereichten Angeboten transparent und diskriminierungsfrei durchzuführen. Der bei Kriterium 2 unterlegene Bieter könne selbst bei geringsten Unterschieden zum führenden Angebot nur 0 Punkte erhalten.
Nach Auffassung der Vergabekammer spricht nach Lage der Akten mehr dafür, dass der gerügte Verstoß für die ASt nicht erkennbar war.
Für die Erkennbarkeit im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB gilt ein objektiver Maßstab, Erkennbar sind solche Verstöße, die von einem durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen, mithin fachkundigen, Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen erkannt werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2020 - Verg 33/20; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Juli 2018 - Verg 24/18). Dabei ist es erforderlich, dass der geltend gemachte Fehler nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in rechtlicher Hinsicht erkennbar für den durchschnittlichen Bieter ist; der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes auffallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2023 - Verg 6/22 m.w.N.). Einer üblichen Sorgfalt und üblichen Kenntnissen entspricht es jedenfalls, dass ein Bieter die für die Kalkulation seines Angebots relevanten Vorgaben der Vergabeunterlagen zur Kenntnis nimmt und aufmerksam aufarbeitet. Dazu gehört die Befassung mit den für die Zuschlagserteilung relevanten Vorgaben, denn danach bemisst sich, wie erfolgversprechend das Angebot sein kann. Dass Wertungskriterien hinreichend bestimmt und diskriminierungsfrei sein müssen, damit Angebote vergleichbar sind und kalkuliert werden können, ist ein durchschnittlichen Bietern allgemein bekannter vergaberechtlicher Grundsatz.
Für die ASt ohne weiteres erkennbar war die grundsätzliche Herangehensweise der Ag bei der Wertung im Rahmen des Kriteriums 2: In einem ersten Schritt wurde die Summe der von den drei Juroren vergebenen Punkte ermittelt. Auf dieser Basis wurde in einem zweiten Schritt eine Punktzahl zwischen 5 Punkte (bestes Angebot) und 0 Punkte (schlechtestes Angebot) vergeben.
Für die ASt ohne weiteres erkennbar war ebenfalls, dass die Wertungsmatrix bzgl. des Kriteriums 1 differenzierter war als die Wertungsmatrix betreffend Kriterium 2. Während bei Kriterium 1 bei allen Angebotspreisen, welche das Doppelte des Bestbieters nicht erreichten oder gar überschritten (dann 0 Punkte), eine Interpolation bis zu drei Stellen hinter das Komma vorgesehen war, konnten bei Kriterium 2 nur volle Punktzahlen (0 bis 5 Punkte) vergeben werden.
Indem nur volle Punktzahlen vergeben werden konnten, erfolgte ein "Stufen-Effekt". Dieser konnte in Einzelfällen, vor allem bei geringem Punktabstand, zu Ungleichbehandlungen führen.
Dieser Effekt war für alle Bieter erkennbar.
Zwar ist der Ag und der Bg im Ansatzpunkt darin beizupflichten, dass die Wertungsmatrix und damit auch die Vorgehensweise der Ag bei der Bewertung des Kriteriums 2 bereits aus der Anlage "Aufforderung Erstangebotsabgabe/Verhandlung" ergab, die der Aufforderung zur Erstangebotsabgabe/Verhandlung vom 7. August 2023 zu entnehmen war; für einen Bieter hätte daher, sofern er alle hypothetisch denkbaren Szenarien durchdacht hätte, erkennbar sein können, dass das Wertungssystem dann, wenn nur zwei Bieter Angebote abgegeben haben, dazu führen würde, dass der unterlegene Bieter nur 0 Punkte erhalten würde. Diese Überlegungen mussten sich der ASt aber nicht aufdrängen. Aus der Bekanntmachung konnte die ASt lediglich entnehmen, dass die Ag zum Ende des Teilnahmewettbewerbs drei bis max. fünf Unternehmen dazu auffordern würde, ein Angebot abzugeben. Wie viele Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert werden würden, konnte und musste die ASt nicht wissen, erst recht nicht, wie viele Unternehmen tatsächlich fristgerecht ein Angebot abgeben würden.
Hätte die ASt, wie von Ag und Bg erwogen, schon zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe die Disproportionalität der Wertungsmatrix gerügt, wäre sie mit ihrem Rügevorbringen voraussichtlich schon deshalb nicht durchgedrungen, weil sich die streitgegenständliche Thematik zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht in dieser Schärfe gestellt hätte. Denn die Ag hatte drei Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert. Dass nur zwei Bieter ein Angebot abgegeben haben, erfuhr die ASt erst durch ihr Rügevorbringen. Wie aus dem Rügeschreiben der ASt vom 13. Oktober 2023 hervorgeht (dort Seite 3, 3. Absatz), war diese davon ausgegangen, dass mindestens drei Bieter zur Angebotsabgabe aufgefordert worden sind. Die ASt forderte darin sogar die Ag um Aufklärung auf, ob zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe nur zwei Bieter am Wettbewerb teilnahmen "und damit bereits zu diesem Zeitpunkt ein aufhebungsrelevantes Momentum vorlag" (Schreiben vom 13. Oktober 2023, a.a.O.). Wäre die Annahme der ASt zutreffend gewesen, dass mind. drei Bieter wertungsfähige Angebote abgegeben haben, wäre das Alles-Oder-Nichts-Prinzip möglicherweise nicht zum Tragen gekommen.
Hat der ASt somit die erforderliche Tatsachenkenntnis gefehlt, kann dahingestellt bleiben, ob der von ihr behauptete Vergaberechtsverstoß für diese in rechtlicher Hinsicht erkennbar war. Für eine entsprechende Kenntnis könnte allerdings - nach Lage der Akten - sprechen, dass die ASt in ihrem Rügeschreiben vom 19. Oktober 2023 (dort Seite 1, letzter Absatz) faktisch zu erkennen gab, mit der einschlägigen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf zum "Alles-Oder-Nichts-Prinzip", (Beschluss vom 22. Januar 2014 - Verg 26/13) vertraut zu sein. Zum Zeitpunkt der Rügeerhebung war die Verfahrensbevollmächtigte der ASt für diese - jedenfalls im Außenverhältnis - noch nicht tätig geworden. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die ASt selbst über entsprechende Rechtskenntnisse verfügte.
bb) Soweit sich der Nachprüfungsantrag gegen die unterbliebene Interpolation und die aus Sicht der ASt fehlerhafte Angebotswertung wendet, hat die ASt Kenntnis von den Ergebnissen der Wertung erst durch das Informationsschreiben der Ag vom 12. Oktober 2023 erhalten. Hiergegen wandte die ASt sich mit ihrem Rügevorbringen innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 GWB.
cc) Keiner Rüge bedurfte das Vorbringen der ASt im Nachgang zur gewährten Akteneinsicht, der Vergabevermerk lasse vermuten, die Ag habe nicht bekannt gemachte Wertungskriterien angewendet.
d) Die Antragsfrist nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB wurde eingehalten. Die ASt hat ihren Nachprüfungsantrag mit einem am 20. Oktober 2023 bei der Vergabekammer des Bundes eingegangenen Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten eingereicht und damit binnen der Frist von 15 Kalendertagen nach Eingang der Nichtabhilfemitteilung der Ag vom 19. Oktober 2023.
2. Der Nachprüfungsantrag ist unbegründet. Die bekanntgemachte Wertungsmatrix ist zwar in Bezug auf das Kriterium 2 mit Vergaberecht nicht vereinbar. Daraus erwächst der ASt jedoch kein Schaden, weil auf das Angebot der ASt auch bei Durchführung einer Interpolation der Zuschlag nicht zu erteilen wäre.
a) Die von der Ag bekanntgemachte Bewertungsmatrix ist vergaberechtswidrig.
Nach der Aufforderung zur Abgabe eines Erstangebots (dort Rn. 5) verwendet die Ag für die Wertung des Kriteriums 2 eine Interpolationsmethode, bei der in einem ersten Schritt aus der Gesamtsumme der Einzelwertungen der drei Juroren das arithmetische Mittel gebildet wird, und, auf der zweiten Stufe, eine (End-) Punktzahl vergeben wird. Das Angebot mit der höchsten Punktzahl erhält 5 Punkte, das Angebot mit der niedrigsten Punktzahl 0 Punkte. Bei dieser Wertungsmethode ist generell nicht auszuschließen, dass das für die Zuschlagserteilung nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden kann. In Fällen, in denen nur 2 Angebote vorliegen, ist diese Vorgehensweise problematisch, weil selbst geringe Qualitätsunterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten zu extremen und die Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht wirklich widerspiegelnden Spreizungen bei der Bewertung der Angebote führen können. Wie das OLG Düsseldorf in dem bereits genannten Beschluss vom 22. Januar 2014 entschieden hat, wird durch diese Methode der relative Abstand der Angebote zueinander nicht korrekt erfasst. Gelangen nur zwei Angebote in die Wertung, hat das Wertungssystem zur Folge, dass der Unterlegene der beiden Bieter bei dem Kriterium 2 keine Punkte erhält und diesen Nachteil auch durch einen günstigeren Preis praktisch nicht mehr ausgleichen kann.
Soweit die Ag meint, die Entscheidung des OLG Düsseldorf sei durch die neuere Rechtsprechungspraxis überholt, ist dem nicht zu folgen.
Bei der von der Ag zur Begründung ihrer Auffassung herangezogenen Entscheidung des BGH vom 04. April 2017 (Az.: X ZB 3/17) stand für das Gericht die Frage im Vordergrund, ob es mit den Grundsätzen des § 97 Abs. 1 GWB vereinbar ist, wenn sich aus den Vergabeunterlagen nicht hinreichend deutlich ergibt, wodurch und wofür die den einzelnen Unterkriterien zugeordneten Punktbewertungen / Benotungen errungen werden können. Zu entscheiden war mithin, wie konkret die Vergabeunterlagen Aufschluss über den Erwartungshorizont des Auftraggebers geben müssen sowie darüber, welcher Zielerfüllungsgrad erforderlich ist, um für ein Konzept einen bestimmten Punktwert zu erreichen. Der BGH entschied, dass es einer transparenten und wettbewerbskonformen Auftragsvergabe regelmäßig nicht entgegensteht, wenn der öffentliche Auftraggeber für die Erfüllung der qualitativen Wertungskriterien Punktwerte vergibt, ohne dass die Vergabeunterlagen weitere konkretisierende Angaben dazu enthalten müssen, wovon die jeweils zu erreichende Punktzahl konkret abhängt (vgl. den Leitsatz a der BGH-Entscheidung). Die Gefahr einer Überbewertung qualitativer Kriterien sei durch eine eingehende Dokumentation des Wertungsprozesses zu begegnen (BGH, a.a.O., Leitsatz a und c). Eine Preisumrechnungsmethode, so der BGH (a.a.O. Rn. 33), sei vergaberechtlich nur zu beanstanden, "wenn sich gerade ihre Heranziehung im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände als mit dem gesetzlichen Leitbild des Vergabewettbewerbs unvereinbar erweise." Auch danach bedarf es also, wie sich schon aus der vorstehend zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf ergibt, der Vereinbarkeit der Umrechnungsmethode mit den vergaberechtlichen Grundsätzen des § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB i.V.m. § 97 Abs. 1 , 2 GWB im Einzelfall. Für die hier von der Ag zugrunde gelegten Methode war dies - wie oben festgestellt - nicht der Fall.
Der von der Ag ferner herangezogenen Entscheidung der erkennenden Vergabekammer vom 26. Juni 2018 (VK 2-46/18) lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Grundsätze der OLG-Entscheidung als überholt anzusehen sind. Der Ag ist zwar darin beizupflichten, dieser Entscheidung sei die grundsätzliche Erwägung zu entnehmen, dass aus rein mathematischer Sicht kaum eine Wertungsmethode existiert, die vollkommen frei von Friktionen oder potenziellen Verzerrungen durch das Angebotsverhalten anderer Bieter ist. Die Erwägungen dieser Entscheidung sind aber auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Während bei der Entscheidung VK 2-46/18 die Gefahr des sog. "Flipping-Effekts", d.h. die Beeinflussung der Wertung durch den Quervergleich mit anderen Angeboten, im Vordergrund stand, stellt sich vorliegend die anders gelagerte Frage, ob eine Wertungsmatrix zu beanstanden ist, bei der eines von insgesamt 2 Angeboten bei der Gesamtwertung nur 0 Punkte erhält, obwohl es bei der Einzelwertung durch Juroren eine deutlich höhere Punktzahl erhalten hat.
Dass die erkennende Vergabekammer an den vom OLG Düsseldorf in der Entscheidung von 2014 aufgestellten Grundsätze grundsätzlich festhält, ergibt sich im Übrigen auch aus einer aktuellen Entscheidung der erkennenden Vergabekammer vom 25. September 2023 (VK 2-72/23). Darin stellte die Vergabekammer fest, dass bei einer Interpolationsmethode, bei der das Angebot mit dem höchsten Preis 0 Punkte erhält, generell nicht auszuschließen ist, dass das für die Zuschlagserteilung nach § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB maßgebende beste Preis-Leistungs-Verhältnis nicht korrekt ermittelt werden kann. Diese Methode sei, so die Vergabekammer, problematisch, weil auch nur geringe Preis- bzw. Qualitätsunterschiede zwischen den Konkurrenzangeboten zu extremen und die Wirtschaftlichkeit der Angebote nicht wirklich widerspiegelnden Spreizungen bei der Bewertung der Angebote führen können. Der relative Abstand der Angebote untereinander werde mit dieser Methode nicht erfasst.
b) Ist die Wertungsmatrix in Bezug auf das Kriterium 2 somit vergaberechtswidrig, ist der ASt hieraus jedoch kein Schaden erwachsen. Denn die Angebotswertung ist nicht zu beanstanden, das Angebot der ASt hätte selbst im Falle einer Interpolation keine Chance auf Erteilung des Zuschlags.
Bei der Angebotswertung verbleibt dem öffentlichen Auftraggeber ein von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungs- bzw. Ermessensspielraum. Die Nachprüfungsinstanzen kontrollieren, ob der öffentliche Auftraggeber von dem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemein gültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und sich nicht von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen.
Darüber hinaus muss ein öffentlicher Auftraggeber bei der Angebotswertung den Anforderungen an eine ordnungsgemäße transparente Dokumentation genügen, § 97 Abs. 1, 2 GWB. Die zu dokumentierende Bewertung muss aus sich heraus nach Maßgabe der bekannt gemachten Bewertungsmaßstäbe die sachgemäßen Gründe für die jeweilige Bewertung in sich und im Quervergleich zur Bewertung der anderen Angebote schlüssig nachvollziehen lassen. Hierbei sind insbesondere die Vorgaben der Vergaberechtsprechung zur sog. "Schulnotenbewertung" zu berücksichtigen (zur Bedeutung der Dokumentation bei offenem Bewertungsmaßstab vgl. grundlegend BGH, Beschluss vom 4. April 2017 - X ZB 3/17; ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. März 2023 - Verg 24/22 sowie vom 24. März 2021 - Verg 34/20).
Von diesen Grundsätzen ausgehend ist festzustellen:
aa) Bei der Wertung des Unterkriteriums 1 (Analysieren der Randbedingungen und Zwangspunkte) ist in der "Angebotswertung Kriterium 2 - Zusammenfassung" zumindest einer der drei Juroren davon ausgegangen, dass der eingereichte Plan "ein Plagiat/Kopie/Abschrift der "[...]" sei; die [...] findet auch an anderer Stelle der Zusammenfassung ausdrückliche Erwähnung, bei den Unterkriterien 3 und 5. Wie insbesondere aus den Ausführungen zum Unterkriterium 3 hervorgeht, ist zumindest ein Juror davon ausgegangen, dass die [...] patentrechtlichen bzw. urheberrechtlichen Schutz genießt.
Diese ursprüngliche Annahme war zwar unzutreffend.
Nachdem die ASt die fehlerhafte Annahme der Ag im Rügeschreiben vom 13. Oktober 2023 moniert hatte, hat die Ag aber bereits im Antwortschreiben vom 19. Oktober 2023 zum Ausdruck gebracht, dass nicht etwa eine Verletzung eines Patents bzw. Urheberschutzrechts für die Abwertung maßgeblich gewesen sei, sondern die Überlegung, dass es dem von der ASt unterbreiteten Vorschlag insbesondere an Eigenständigkeit mangele. Diese Erwägung ist sachgemäß und angesichts des Konzepts der ASt auch nachvollziehbar. Dementsprechend hat die Ag im laufenden Nachprüfungsverfahren und in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer die vermeintliche Verletzung gewerblicher Schutzrechte nicht weiter vertreten. Im Schriftsatz vom 27. Oktober 2023, resp. der auf Seite 8 geführten Wertungstabelle, findet sich dort ein entsprechender Hinweis nicht mehr. Dieser Tabelle liegt ein entsprechendes Überdenken der Bewertung seitens der Ag bzw. des von ihr eingesetzten Bewertungsgremiums zugrunde. Da die Ag ihre ursprüngliche fehlerhafte Annahme nachträglich korrigiert hat, wozu sie vergaberechtlich befugt war, steht fest, dass dieser Aspekt bei der Wertung unbeachtet geblieben ist.
Aus der Zusammenfassung geht des Weiteren hervor, dass die Wertung des Unterkriteriums 1 auf mehreren weiteren Aspekten beruht. Dabei nahm die Ag auch einen schlüssigen Quervergleich der beiden Angebote vor. Die Begründungen der Ag für eine schlechtere Bewertung des Angebots der ASt lassen insgesamt Beurteilungsfehler nicht erkennen.
bb) Die ASt meint ferner, die Ag sei bei der Wertung des Unterkriteriums 2 (Erkennen der Aufgabenstellung) zu Unrecht davon ausgegangen sei, ein [...] benötige eine ZiE. Dem ist nicht zu folgen.
Die Ag hat fehlerfrei berücksichtigt, dass die ASt in ihrem Konzept die Erforderlichkeit einer ZiE für die angebotene [...] nicht erkannt bzw. darauf im Konzept nicht hingewiesen hat.
Soweit die Ag im Hinblick auf die von ihr angeführte und in die Vergabeunterlagen einbezogene RE-ING, Teil 4 Stützbauwerke, [...] darauf hinweist, dass darin für [...] keine Planungsgrundsätze enthalten sind, sondern diese noch in Vorbereitung seien, und daraus ableitet, es sei eine ZiE geboten, so liegt hierin keine unsachgemäße Einschätzung.
In der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer hat die ASt der von der Ag angenommenen grundsätzlichen Erforderlichkeit einer ZiE auch nicht substantiell widersprochen.
Im Nachgang zur mündlichen Verhandlung machte die Ag in einem Schriftsatz vom 30. November 2023 auf einen im Internet abrufbaren Artikel aufmerksam [...], in dem über ein Pilotprojekt berichtet wird, ein [...]; über dieses aktuelle Pilotprojekt ist auch an anderer Stelle ([...]) ausführlich berichtet worden. Aus dem von der Ag erwähnten Dokument geht hervor, dass es sich bei den [...] um "eine neue, innovative und bisher nicht geregelte Bauweise" handele, weshalb für den Bau der [...] eine ZiE durch den BMVI eingeholt worden sei. Auch wenn die ASt in einem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 4. Dezember 2023 die Notwendigkeit einer ZiE auch bezogen auf das Pilotprojekt bestreitet, wird anhand der Ausführungen im Artikel doch deutlich, dass eine ggf. notwendige ZiE für eine - wie hier von der ASt selbst betonte - innovative Bauweise zumindest zu thematisieren gewesen wäre. Dies hat die ASt unterlassen. Es ist vor diesem Hintergrund nicht unsachgemäß, diesen Umstand bei der Bewertung des Erkennens der Aufgabenstellung vor dem Hintergrund einer innovativen Bauweise zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch zu sehen, dass die Erwägung der Ag maßgeblich den Quervergleich mit dem insoweit besser bewerteten Angebot der Bg erschließt. Die im Quervergleich bessere Bewertung des Angebots der Bg ist nach den schlüssigen ergänzenden Ausführungen der Ag im Schriftsatz vom 27. Oktober 2023 u.a. darauf zurückzuführen, dass die Bg die Notwendigkeit einer ZiE erkannt hat.
cc) Hinsichtlich des Unterkriteriums 3 (Sachgerechte Schlüsse) beanstandet die ASt die Auffassung der Juroren, dass Betonformsteine eine veraltete Bauweise seien. Tatsächlich handele es sich, so die ASt, um eine erprobte, noch heute im Einsatz befindliche Bauweise.
[...]
Diese wurden in den 1920er Jahren zunächst im Bereich Hausbau in den USA eingesetzt. In den 1960er Jahren sind [...] v.a. in der ehemaligen DDR und im östlichen Europa zum Einsatz gekommen. Ihr primäres Einsatzgebiet waren und sind noch immer die Abgrenzung von Grundstücken sowie die Überputzdekoration von Wandbereichen. Ausgehend hiervon ist die Wertungsentscheidung der Ag, dass es sich um eine "veraltete Bauweise" handele, und den Vorschlag deshalb mit einer eher unterdurchschnittlichen Punktzahl zu bewertete, nachvollziehbar und lässt Beurteilungsfehler nicht erkennen. Das Angebot der Bg schnitt im Quervergleich besser ab, weil es Varianten zur Auswahl stellte.
dd) Entgegen der Annahme der ASt hat die Ag keine nicht vorab bekannt gemachten Wertungskriterien angewendet.
Die ASt stützt sich dabei auf Erkenntnisse, die sie im Rahmen der Akteneinsicht aus dem Vergabevermerk (dort Seite 8/9) gewonnen hat. Wie die Ag unter Hinweis auf den Vermerk "VOL Interne Dokumentation (Systemausdruck)" zutreffend angemerkt hat, sind die im System insoweit gemachten Angaben vorinstalliert, sind für das vorliegende Vergabeverfahren ohne Belang geblieben.
Nach alledem ist die Entscheidung der Ag nicht zu beanstanden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 182 Abs. 1, 2 und 3 S. 1 sowie Abs. 4 S. 1, 2 GWB.
1. Die ASt trägt als unterliegende Verfahrensbeteiligte die Kosten des Nachprüfungsverfahrens (Gebühren und Auslagen) gemäß § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Ag gemäß § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB.
2. Die Aufwendungen der Bg sind nicht erstattungsfähig und werden der ASt daher nicht auferlegt, weil dies nicht der Billigkeit nach § 182 Abs. 4 S. 2 GWB entspricht. Die ASt hat sich in ihrem Nachprüfungsantrag nicht bewusst und gewollt in einen Interessengegensatz zu Bg gestellt. Darüber hinaus hat die Bg im Nachprüfungsverfahren davon abgesehen, konkrete Anträge zu stellen, so dass sie kein Prozesskostenrisiko auf sich genommen hat.
3. Die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag war nicht notwendig, § 182 Abs. 4 S. 4 GWB, § 80 Abs. 1, 2 und 3 S. 2 VwVfG (Bund).
Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022 - Verg 15/22; Beschluss vom 7. August 2023 - Verg 6/23). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Was den Auftraggeber anbelangt, so hat dieser das materielle Vergaberecht ohnehin zu beherrschen, so dass vom Auftraggeber grundsätzlich erwartet werden kann, dass er auch selbst in der Lage ist, das Nachprüfungsverfahren ohne anwaltlichen Beistand zu führen. Maßgeblich ist daher bei der Abwägung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Auftraggeber notwendig war oder nicht, ob sich im Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber im Wesentlichen auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen vergaberechtlichen Vorschriften gestellt haben. In einem solchen Fall ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass er hierfür einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen muss. Diese Angelegenheiten betreffen den originären Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers, für den er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen muss, so dass es auch im Nachprüfungsverfahren nicht geboten ist, einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Komplexität oder Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten sowie die Bedeutung des Vergabeverfahrens (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts kann daher insbesondere geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfach gelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.).
Vor diesem Hintergrund kann die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten der Ag nicht als notwendig anerkannt werden. Auf den Nachprüfungsantrag der ASt war aus der Perspektive der Ag auf die Rüge der fehlerhaften Angebotswertung zu einzelnen qualitativen Zuschlagskriterien sowie zur Bewertungsmethodik zu reagieren. Damit ging es um die korrekte Anwendung der von der Ag selbst vorgegebenen Kriterien und damit Fragen der Anwendung des Vergaberechts, die zum originären Aufgabenkreis der Ag als Vergabestelle gehören und keine Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes erfordern.
Eine abweichende Entscheidung folgt auch nicht daraus, dass aus Sicht der Ag im Nachprüfungsantrag Fragen der Antragsbefugnis und der Rügeobliegenheit der ASt und damit verfahrensrechtliche Aspekte des Nachprüfungsverfahrens zu thematisieren waren. Dabei handelt es sich zwar um prozessuale Fragestellung des Nachprüfungsverfahrensrechts, für die aber nicht festgestellt werden kann, dass sie komplexer Natur oder rechtlich schwierig sind:
- Im Hinblick auf die Antragsbefugnis hat die Ag bemängelt, dass auch eine hypothetische Interpolation des Angebots der ASt zu keinem anderen Ergebnis führe. Diese Argumentation ist Ergebnis der Anwendung des materiellen Vergaberechts und gehört zum originären Aufgabenkreis der Ag, auf entsprechende Rügen von Bietern zu prüfen, ob das Vorbringen überhaupt entscheidungserheblich ist. Dafür ist die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts nicht geboten.
- Soweit die Ag Verstöße der ASt gegen die Rügeobliegenheit nach § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB bemängelt, ist festzustellen, dass auch diese Grundsätze zum originären Aufgabenkreis eines öffentlichen Auftraggebers gehören. Denn auf den Eingang von Rügen hat er selbst zu prüfen, ob diese statthaft sind und den Anforderungen nach § 160 Abs. 3 GWB entsprechen. Dies erfordert jedenfalls im Grundsatz nicht die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts. So liegt der Fall hier. Die seitens der Ag argumentierte Erkennbarkeit der gerügten Verstöße gegen die Bewertungsmethode barg keine besonders komplexen Sach- und Rechtsfragen. Denn es ging der Ag im Kern darum, dass die ASt die tatsächlichen und rechtlichen Folgen einer Anwendung der Bewertungsmethoden vor Angebotsabgabe hätte vorhersehen können. Dies erfordert nicht zwingend die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts.
IV.
(...)
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